Category: Bücher

FSK-Programmhinweis: Loretta Loretta

Am Dienstag Abend lohnt es sich vielleicht das Freie Sender Kombinat einzuschalten. Dort läuft um 20 Uhr Lorettas Leselampe spezial: Queer-/Feministische Kritiken neoliberaler Verhältnisse.

Wie können diese aussehen? Damit diskutieren wir u.a. mit Melanie Groß vom neu gegründeten Feministischen Institut Hamburg, die im Studio zu Gast sein wird. Sie ist Mitveranstalterin der “Feministischen Werkstatt” im Kölibri, bei der jeden zweiten Donnerstag in jedem zweiten Monat immer um 19 – 21 Uhr im Kölibri (Hein-Köllisch-Platz, Hamburg-St.Pauli) queere und feministische Praktiken erörtert werden sollen. Außerdem besprechen wir den im Unrast-Verlag erschienen Band “Queer-/Feministische Kritiken neoliberaler Verhältnisse

Melanie Groß wird leider doch nicht im Studio sein. Insofern ist das Zitat oben realativ sinnlos. Vertreten wird sie aber von einigen anderen Autorinnen des Buches. Einschalten, Stream hören, oder auf Wiederholungen achten… Ob es sich wirklich lohnt, weiß ich erst morgen Abend, denn es ist ja eine Live-Sendung.

Schmunzeln über Hegemonietheorie

Als Orte der relativen Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit im diskursiven Rauschen bilden diskursive Institutionen gewissermaßen die ‘kleine Schwester’ der diskursiven Formation-Formierung. Als ‘Subformation-formierung’ stabilisieren diskursive Institutionen kleinere diskursive Zusammenhänge.

Aus Martin Nonhoff: Politischer Diskurs und Hegemonie. Das Prokekt “Soziale Marktwirtschaft” (transcript Verlag, Bielefeld, 2006, S. 180). Das ist ein wie ich finde sehr empfehlenswertes Buch, in dem die Hegemonietheorie von Ernesto Laclau und Chantall Mouffe sehr ausführlich erläutert, geordnet, durchdefiniert und auf die Analyse hegemonialer Projekte angewandt. Im Dezember erscheint ebenfalls bei transcript der von Nonhoff herausgegebene Sammelband “Diskurs – radikale Demokratie – Hegemonie. Zum politischen Denken von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe”, den ich mir auf jeden Fall ansehen will.

Judith Butler, Gayatri Chakravorty Spivak: Sprache, Politik, Zugehörigkeit

Ein dünnes, 78-Seiten starkes Buch ist jetzt erschienen, über das Martin Saar in seiner Rezenssion für Literaturen schreibt:

Mit Lust an der Pointe und am Vervielfältigen der Standpunkte streiten Judith Butler und Gayatri Spivak in einer so turbulenten wie heiteren Podiumsdiskussion. Es geht darum, wer die Signatur der politischen Gegenwart besser entziffert.

Theoriepolitik für die Hosentasche. Werd ich lesen!

Judith Butler, Gayatri Chakravorty Spivak: Sprache, Politik, Zugehörigkeit. Aus dem Englischen von Michael Heitz und Sabine Schulz, diaphanes, Berlin 2007, 78 S., 8 €

Sonja Eismann – Hot Topic. Popfeminismus heute

Just zur Buchmesse ist die Antologie “Hot Topic. Popfeminismus heute” erschienen, die Beiträge “über Frauen zwischen Feminismus und Pop, Prekariat und Boheme” versammelt. Den Band herausgegeben hat Plastikmädchen und Intro-Redakteurin Sonja Eismann.

Seit der konservative Backlash offen in Form von neuem Gebärzwang und alten Hausmütterchen-Doktrinen zutage tritt, besinnt sich sogar der Mainstream wieder auf die Notwendigkeit des Feminismus. Dabei wird gerne übersehen, dass es abseits des gemäßigten Feuilleton-Bekenntnisses zur Geschlechtergleichheit eine Menge junger Frauen gibt, die sich den radikalen “Luxus” eines feministischen Bewusstseins leisten und dies in verschiedensten Formen leben.

In der “Hot Topic”-Anthologie porträtieren diese Frauen ihre Lebensrealitäten zwischen Abtreibung, Indie-Mutterschaft, Prekariats-Boheme, queerem Coming-of-Age, Schönheits-Terror und Exotinnendasein im Musik- und Medienbusiness. In Anlehnung an die Vielzahl anglo-amerikanischer Textsammlungen, die hierzulande immer noch ihresgleichen suchen, destilliert dieser anekdotisch angelegte Reader die gesellschaftspolitische Aussage aus dem privaten Erleben und knüpft damit dort an, wo vor beinahe 10 Jahren der bis jetzt einzigartig gebliebene Band “Lips Tits Hits Power” aufhörte. Mit Beiträgen von Christiane Rösinger, Pauline Boudry, Clara Völker, Sarah Diehl, Rosa Reitsamer und Vina Yun und mit zahlreichen Illustrationen.

Aus dem Inhalt:

• Reproduktion, Abtreibung und Verhütung
• Queere Strategien und Coming out
• Grrrl-Zines
• Drag Kings in der Populärkultur
• TV-Serien und Feminismus
• Mädchenzeitschriften, Szeneorgane und (Anti-)Solidarität
• Weibliche Einflussbereiche in der Punksubkultur
• Ladyfest als Ladyspace
• Das Leben der Lo-Fi-Boheme
• Gender und Feminismus zwischen Ost und West
• Weiße Männlichkeitskonstruktionen im Rock und Pop
• Mode als Politikum

Sonja Eismann (Hg.): Hot Topic. Popfeminismus heute. Ventil Verlag, 2007, 304 S., 14,90 EUR.

Cruikshank: The Will to Empower

Heute habe ich endlich mal Barbara Cruikshanks Buch “The Will to Empower. Demokratic Citizens and Other Subjects” (1999) fertig gelesen. Sehr lohenend. Im Kern geht es um das Verhältnis von Demokratie und Gouvernementalität und um die Frage, wie demokratische citizens gemacht werden.

Cruikshank beschäftigt sich – nachdem sie die Frage, warum auf einmal Schlösser an den Mülltonnen waren, nicht beantworten konnte – mit verschiedenen Programmen und Diskursen des amerikanischen welfare Systems. Anhand des War on Poverty, des selfesteem movements und der Figur der welfare queen zeigt sie, wie in einer sehr diffusen, dezentralen Art Macht ausgeübt wird, in dem Subjekte im doppelten Sinne als Subjekt und subjected hervorgebracht werden. Dabei geht es auch um die Strategien des empowerment, durch die WohlfahrtsempfängerInnen zur Selbsthilfe ermächtigt werden sollen.

Subjekte verkörpern Machtverhältnisse und verfügen durch den Akt der Unterwerfung über die Macht, sich selbst zu führen. In Bezug auf Widerstand hat Curikshank deshalb Folgendes zu sagen

“[One] should call into question any form of resistance or critique that seperates [subjektivity and subjection]. Practices of governing and ruleing are not restricted to ‘the political’ or to one sphere, and so we must focus on how we are governed and by what practices, rather than by which people in which sphere” (p. 120).

Wenn Macht kein Gesicht hat und durch die Körper der BügerInnen hindurch verläuft, dann muss auf andere Weise über Demokratie nachgedacht werden. Aufschreibenswert fand ich in Bezug auf Demokratie auch folgenden Satz:

“What I value most about democracy is that it effects are contingent rather than permanent” (p. 124).

Und schließlich bin ich über einen Gedanken gestolpert, der seit einiger Zeit in meinem Kopf spukt: Was ist eigentlich ein “linkes” Verhältnis zu Gouvernementalität, zur Kunst des Regierens? Müssen eigene, andere Figurationen von citizenship erfunden werden, und welche könnten das sein? Oder geht es immer nur darum, nicht auf diese Weise regiert zu werden?

Queer-| Feministische Kritiken neoliberaler Verhältnisse

Was jetzt kommt, ist keine Rezension, sondern Werbung für den Sammelband Queer- | Feministische Kritiken neoliberaler Verhältnisse, der in diesem Jahr im Unrast Verlag (Münster) erschienen ist.

Das Buch versucht aktuelle theoretische Auseinandersetzung des Feminismus und der queer theory in Bezug zu politischen Praxen zu setzen. In allen Beiträgen geht es um die Frage, wie eine solche Positionen und Praxen unter den paradoxen Bedingungen neoliberaler Hegemonien aussehen können. Die Felder Sozial- und Arbeitsmarktpolitik (Winker), Lebensformen- bzw. queere Familienpolitik (Ganz), die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen (Bentrup), Migrantinnen in der Hausarbeit (Englert und Greve), queere Bündnispolitik und die Auseinandersetzung mit Rassismus (Wehr), und die vielfältige Formen von feministischem, post-feministischem und queer-feministischem Widerstand (Groß) werden von unterschiedlichen theoretischen Standpunkten betrachtet: Von Butler über Elias bis Foucault und Marx.

Der Sammelband ist das Ergebniss intensiver Diskussionen im Rahmen eines zweisemestrigen Seminars der Herausgeberinnen Melanie Große und Gabriele Winker an der TU Hamburg Harburg. Das Seminar war Teil des Gender Studies Programm in Hamburg und die Beiträge stammen u.a. von Studierenden des Nebenfachstudienganges Gender Studies bzw. des Masters Gender und Arbeit.

Melanie Groß / Gabriele Winker (Hg.)
Queer- | Feministische Kritiken neoliberaler Verhältnisse

ISBN-13: 978-389771-302-4
broschiert, 192 Seiten
Preis: 14.00 Euro
Unrast Verlag, 2007

Mit Beiträgen von Stefanie Bentrup, Kathrin Englert, Kathrin Ganz, Dorothee Greve, Melanie Groß, Christiane Wehr und Gabriele Winker

Kauft das Buch. Schlagt es für Bibliotheken vor. Hängt einen Flyer aus.

Rezension: Iris Radisch – Die Schule der Frauen


Die Literaturkritikerin und Journalistin Iris Radisch mischt sich in die Debatte um Familie, Kinderbetreuung und Geschlechterverhältnisse ein. Im Gesamtbild ist „Die Schule der Frauen“ (2007, DVA) sicher einer der intelligenteren Beiträge zur dieser Diskussion. Radisch schreibt nicht nur über die Betreuungsproblematik, sondern vor allem darüber, wie sich die Welt für Männer und Frauen verändert hat, und was das für ihre romantischen Beziehungen und ihr Familienleben bedeutet. Radischs oft kluge, essayistisch zu Papier gebrachten Beobachtungen und Schlussfolgerungen stellen jedoch kein ungetrübtes Lesevergnügen dar. Zu sehr sind ihre Beobachtungen unhinterfragt geprägt von ihrer eigenen Position als Angehörige der intellektuellen Mittelschicht.
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