Category: Oekonomie

Bill O’Reilly bei Jon Stewart: Tradition und Anarchie

Trotz offensichtlicher Widersprüche verbinden sich fortschrittsgläubiger Neoliberalismus und bewahrender Konservativismus in den Köpfen Vieler zu einem Konglomerat der Weltanschauung. Ein schillerndes Beispiel dafür ist Bill O’Reilly, amerikanischer Talk-Radio Moderator, Autor und Host von The O’Reilly Faktor auf Fox News. Zurzeit promotet O’Reilly sein neues Buch “A Bold Fresh Piece of Humanity”. Bei den Damen von The View brachte der selbsternannte Culture Warrior seine sexistische Seite zur Geltung, und bei seinem Besuch in der Daily Show mit Jon Stewart kam es wie erwartet zu einem ansehlichen Schlagabtausch zwischen Rechts und Links. Da konnten auch die heiße Schokolade mit Marshmellows und der kleine, weiße Teddy nicht helfen, die Stewart O’Reilly zur Beruhigung seiner Nerven schenkte. O’Reilly hat anlässlich der Wahl Barack Obamas zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten mal wieder Angst vor der Regierung in Washington. “I don’t trust any of these guys. (…) The whole federal government frightens me. There is not anything about it that i like. I am an anarchist. Power to the people!”

Aber wie kann ein Anarchist ein Konservativer sein? Von Jon Stewart auf seine Aussage angesprochen, Obama müsse anerkennen, dass die USA ein “center-right country” seien und entsprechend regieren, entwickelt sich eine kleine Diskussion über Tradition, in der Jon Stewart die Meinung vertritt, die wichtigste Tradition Amerikas sei die Weiterentwicklung individueller Freiheiten: “You know what the tradition of America would say? Gay marriage is the next step in the progression of individual freedom. Thats the tradition in America. You’re missrepresenting the tradition.” Wäre O’Reilly einfach nur ein extremer Liberaler, gäbe es vielleicht überhaupt keine ethischen Grenzen mehr. Warum nicht Sexualität nur noch über den Markt organisieren? Das funktioniert doch sonst so gut … Um nicht völlig außerhalb von allem zu stehen, was verstehbar ist, braucht ein Anarchist wie O’Reilly eine starke, konservative Komponente. Er muss seine Weltsicht irgendwie rationalisieren, sonst würde er sich selbst nicht mehr ertragen. Freiheit ist zwar ein hohes Gut für Leute vom Schlage O’Reillys, aber keineswegs ein universelles. Menschen, die in das Weltbild dieser Mixtur aus Libertarismus und Konservativismus nicht passen, wie zum Beispiel “the self proclaimed lesbians” mit dem Foto im Schuljahrbuch, haben Pech gehabt, denn O’Reilly gibt so augenzwinkernd wie unverfroren zu: “I just want power to the people I like. See, I’m an anarchist with an agenda.” Freiheit. Was bist du nicht für ein schöner, leerer Signifikant?

Ist die Finanzmarktkrise eine Krise des Kapitalismus? Veranstaltung in Hamburg

Hätte, könnte, würde … ich am Donnerstag, dem 13. November, noch nichts vor, würde ich um 19 Uhr ins Centro Sociale gehen und die Veranstaltung zur aktuellen Krise des Kapitalismus mit Werner Rätz (Interventionistische Linke) und Marco Heinig (Linksjugend.solid & Bildungswerk für Politik und Kultur e.V.) besuchen. Und das nicht nur, weil es anschließend Kneipe mit Cocktails gibt.

Ich krieg’ die Krise! – Die aktuelle Krise des Kapitalismus.
Eine Bestandsaufnahme.

Die Finanzkrise ist da, der Neoliberalismus als Freiheitsversprechen diskreditiert, die Industrienationen auf dem Weg in die Rezession. Während in den letzten Wochen mit schier unglaublichen Finanzzahlen rumjongliert wurde, dürfte eines jetzt schon klar sein. Die Zeche zahlt nicht der Staat und schon gar nicht die Konzerne und Banken, sondern die BürgerInnen. Von einer Krise des Finanzmarktes war die Rede, vom Ende des Neoliberalismus und einer neuen Wirtschaftsordnung.
Doch was soll das heißen? Finanzmarktkrise. Steckt der Kapitalismus generell in einer Krise? Wie ist diese Krise entstanden und vor allem, wer zahlt für diese Krise?
Was heißt das für die Linke?
Bietet die Krise des Finanzmarktkapitalismus neue Chancen und Möglichkeiten für die Linke? Welche Politikfelder sind für eine linke Intervention strategisch sinnvoll?
Auf der Veranstaltung geht es zunächst um einen Blick auf die aktuelle Krise des Kapitalismus und ihre Hintergründe, mit einem Ausblick auf die weitere Entwicklung. In der Diskussion wollen wir dann einen Raum schaffen, um über die kurz- und mittelfristigen Aufgaben der Linken zu reden.

Mehr Infos:
http://www.avanti-projekt.de
http://www.dazwischengehen.org

Vortrag zu queerer Ökonomiekritik in Hamburg

Es ist mal wieder Zeit für shameless selfpromotion und einen Tipp für Hamburger_innen mit Interesse an Queer Theory und Ökonomie. Am Mittwoch werden Do. Gerbig und ich wie schon in Bremen einen Vortrag mit dem Titel “Queere Ökonomiekritik – alternative Praxen” halten, dieses Mal im Rahmen der Ringvorlesung Jenseits der Geschlechtergrenzen, die von der AG Queer Studies organisiert wird. Wir beschäftigten und in diesem Vortrag mit der Gibson-Grahamschen Dekonstruktion des Kapitalismus, diskutieren Paradoxien des Neoliberalismus und die Rolle von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit bei der Arbeit. Vor diesem Hintergrund stellen wir zwei Beispiele aus einer möglichen antikapitalistischen, queer-feministischen Praxis vor und möchten diese zur Diskussion stellen. Der Vortrag findet am 12. November um 19 Uhr im Raum 0079 im “WiWi-Bunker”, Von-Melle-Park 5 auf dem Campus der Uni Hamburg statt, ist öffentlich und kostet keinen Eintritt.

Zweiter Workshop zu Intersektionalität

Unter dem Titel “Doing Intersectionality. Über das Recht auf Verschiedenheit und den Umgang mit Differenz” findet vom 28. bis 30. November 2008 der zweite Workshop zu Intersektionalität in Hamburg in diesem Jahr statt. Den ersten habe ich hier angekündigt.

Im Rahmen des zweiten Workshops in diesem Jahr möchten wir Menschen, die in beruflichen, politischen, künstlerischen sowie wissenschaftlichen Zusammenhängen oder auch „privat“ mit Verschiedenheit und Intersektionalität zu tun haben, Raum zur Vorstellung und Diskussion ihrer Erfahrungen und Gedanken geben.

Ziel ist es, Umgangsweisen mit und Perspektiven auf Verschiedenheit und Intersektionalität auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Kontexten zu diskutieren. Wir laden Praktiker_innen, politische Aktivist_innen, Künstler_innen, Wissenschaftler_innen und Studierende herzlich zur Mitwirkung ein.

In einer Keynote von Elisabeth Holzleithner aus Wien mit dem Titel “Vielfalt zwischen Managment und Herrschaftskritik” am Freitag Abend und vier Pannels am Samstag und Sonntag werden die Bereiche Normativität, Ökonomie, Subjektivität und Herrschaftskritik in den Blick genommen. Genauere Informationen zu Ort, Zeit und Programm finden sich in diesem Flyer. Der Workshop wird veranstaltet von der Gemeinsamen Kommission für Frauenstudien, Frauen- und Geschlechterforschung, Gender und Queer Studies Hamburg

Linksruck mit Jon Stewart

Auf Working-Class Perspectives gibt es einen Artikel über die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Arbeiterklasse/working-class. Ich wollte den Link zu 1930s Redux? The Working Class and the Economic Crisis zunächst einfach zu delicious stecken, fand dann aber insbesondere die letzten beiden Abschnitte so interessant, dass ich sie lieber poste:

Many have debated whether the current economic crisis parallels the Depression of the 1930s. Economic analysis aside, there may be a parallel cultural shift. In the 1930s, the American labor movement gained momentum, leftist politics flourished, and artists and organizers created what Michael Denning terms “the cultural front,” an array of art, film, music, and literature that reflects working-class perspectives. Those social movements worked together with economic policies to create political change.

We may well be on the brink of a similar transformation. While the labor movement continues to struggle, the AFL-CIO has started a grassroots organization, Working America, to engage people who don’t belong to unions in organizing for economic and social justice policies (more on this from Jack Metzgar next week). Voter registration patterns show a clear shift if not to the left then at least to the Democrats. “Rock the Vote” concerts, the popularity of “The Daily Show,” and the rising ratings for MSNBC’s left-leaning commentary programs suggest the convergence of politics and pop culture. So while the working class may suffer the most from the economic crisis, they may also have reasons to hope that it will bring real change.

Während Martin Booker auf eine Renaissance des Neoliberalismus zu hoffen scheint und ich dessen Ende heraufbeschwöre, verbreitet Sherry Linkon Hoffnung auf einen Aufschwung linker Kultur und Politik. Also wenn Jon Stewart mitmacht, bin ich auch dabei.

Ein Gedicht!

Da bin ich für zwei Tage unterwegs und habe kurz vor der Abreise schnell noch ein vermeintliches Tucholsky Gedicht ungeprüft gebloggt. Dumm, einfach nur dumm. Für weitere Infos bitte in die Links im Kommentar schauen.

Hoffnungsvoll Feministisch in Bremen

Von Freitag bis Sonntag ist Bremen Hoffnungslos Feministisch. An diesem Wochenende sollen unterschiedliche feministische und queer-feministische Perspektiven zusammengebracht werden, um über die eigenen Theorien und Praxen zu sprechen – ein Anliegen verschiedener Gruppen, das im Kontext der G8 Mobilisierung im vergangenen Jahr entstanden ist. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich feministische Politiken in den letzten Jahren verändert haben. Unter anderem wird darum das Verhältnis von feministischen und queeren Ansätzen diskutiert, es geht um anti-rassistische und Körperpolitiken, und auch die Tatsache, dass nur Frauen, Lesben, Transgender, Inter- und Transsexuelle an diesem Wochenende miteinander diskutieren können, wird hoffentlich Thema sein.

Ich werde zusammen mit Do. Gerbig am Samstag Nachmittag einen Vortrag/Workshop zu queerer Ökonomiekritik anbieten. Dort werden wir verschiedene antikapitalistisch/queere Politikansätze vor- und zur Diskussion stellen.

Komplex radikal: Queere Ökonomiekritik.
Kapitalismuskritik und Queer sind beide radikal und versuchen beide, die Komplexität sozialer Praxen zu begreifen. Sie liefern eine vielschichtige Sicht auf Herrschaftsstrukturen und beleuchten bestimmte Aspekte gesellschaftlicher Unterdrückung. Während Kapitalismuskritik Ausbeutungsverhältnisse rund um die Verteilung von Produktionsmitteln fokussiert, wendet sich Queer in erster Linie gegen Normativität und Identitätszwang. Beide verstehen sich als grundlegende Gesellschaftskritik. Jenseits davon, im Marxismus nur eine binäre Beschäftigung mit dem Hauptwiderspruch zwischen Arbeiterklasse und Kapital, und in Queer nur die schwul-lesbische Forderung nach der Anerkennung und dem Einschluss ins Bestehende zu sehen, interessiert uns, wo Verknüpfungspunkte sind und was beide gewinnen würden, vom jeweils anderen zu lernen.

Wir hoffen, dass wir auch über die aktuelle Finanzmarkt/Wirtschaftskrise und das sich verändernde Verhältnis zwischen Kapitalismus und Staat reden können. Ergeben sich daraus queer-feministische Visionen oder ist unser Einsatz dringend gefragt?

Ich bin gespannt auf die verschiedenen Leute dort, die vermutlich aus ganz unterschiedlichen Kontexten und Traditionen kommen. Vielleicht befördert das Wochenende ein solidarisches Nebeneinander, was meiner Meinung schon ein wichtiger Schritt ist, oder macht sogar Lust auf Kollaborationen. Ich bin ganz hoffnungsvoll!

Das Ende des Neoliberalismus

Auf das Fragezeichen in der Überschrift verzichte ich, obwohl ich meine These für gewagt halte. Die Gelegenheit für solche Visionen ist aber günstig, wenn sogar in der FAZ zumindest im Feuilleton von der Zeit “nach dem Neoliberalismus” die Rede ist (via mspro).

Während sich krisenbewusste Marxist_innen auf das Ende des Kapitalismus freuen, nistet sich bei mir der Gedanke ein, dass wir an einer gouvernementalen Zeitenwende stehen könnten. Die Finanzmarktkrise ist nicht das eine, große, singuläre Ereignis, dass diese bewirken könnte, und ich glaube auch nicht an einen schnellen Wandel, bei dem ein homogenes Altes sauber von einem ebensolchen Neuen abgelöst wird. Regierungsrationalität sind widersprüchlich und vielfältig. Trotzdem: Die Zeit des scheinbaren, aber sehr wirkmächtigen neoliberalen Konsens’ scheint abgelaufen zu sein.

Es setzt sich schneller als ich es erwartet hätte die Erkenntnis durch, dass die Deregulierungspolitik der letzten Jahre nicht so schlau gewesen ist. Ein anderes Beispiel ist die Energieversorgung. Auch hier fragen sich nicht nur Leute in Privathaushalten, ob Privatisierung wirklich ein cleverer Move war. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Monaten nicht nur einiges an längst überfälliger Regulierung angeleiert wird, sondern dass sich auch die Einstellung gegenüber der Kraft von Märkten und ökonomischer Rationalität sich ändern wird.

Mittelfristig könnte ein solcher Wandel nicht nur den Finanzmarkt oder die Wirtschaft betreffen, denn die Martlogik und der Homo Öconomicus spielen mittlerweile in vielen Bereichen des Lebens eine große Rolle. Neoliberale Gouvernementalität bedeutet, dass sich Begriffe, Vorstellungen und Normen aus dem Bereich der Wirtschaft auf andere Bereiche der Gesellschaft ausdehnen. Das Schaffen von Märkten gilt als innovatives Steuerungsinstrument in verschiedenen Politikfeldern, und soziale Beziehungen werden nach ökonomischen Kriterien beurteilt. Das Menschenbild verändert sich: Individuen sind “Humankapital”. Die neoliberale Regierungsrationalität regt Subjekte dazu an, das zu werden, was sie im Sinne dieser Subjektvorstellung längst sind: freie, nutzenmaximierende und verantwortliche Unternehmer_innen ihrer Selbst – auch unter widrigen Umständen.

Es scheint, als ergeben sich gerade an zentralen Stellen dieses Diskurses, der in den letzten Jahren so dicht verwoben und machtvoll war, große Risse, die geschlossen werden müssen, und dabei wird zwangsläufig etwas Neues entstehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gelingen wird, diese Krise als Fehler von beispielsweise zu faulen Häuslebauer_innen oder durchgeknallten Manager_innen darzustellen, auch wenn welche das versuchen.

Aber was heißt das jetzt für “die Gesellschaft”? Die letzten Jahre haben trotz des Versprechen, mit dem entsprechenden Einsatz sei alles zu schaffen, nicht gerade Glück, Freiheit und Wohlstand für alle gebrachten, im Gegenteil: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weit auseinander und immer mehr Menschen sind von Prekarisierung betroffen. Ich fürchte leider, dass sich daran so bald nichts ändern wird. Schließlich scheinen wir eine massive Wirtschaftskrise vor uns zu haben, und staatliche Interventionen werden sich erst mal auf die Finanzmärkte und Banken konzentrieren, und weniger konsumseitig eingesetzt werden (in den USA gibt es allerdings solche Pläne). Ich will auch nicht sagen, dass letzteres besser wäre. Für Einschätzung dieser Art sollte man Leute fragen, die mehr Ahnung haben, und alles weitere an dieser Stelle wäre Glaskugelschreiben. Auf Schwankungen und Veränderungen nicht nur an den Börsen, sondern auch im Diskurs, können wir uns aber gefasst machen, und vielleicht verändern sich im Zuge der Ereignisse auch wieder Regierungstechnologien und Menschenbilder. Uns stehen diskursiv-politisch spannende Zeiten bevor.

Finanzkrise verstehen mit NPR

Mitte Mai hatte ich auf die mittlerweile berühmte Folge von This American Life hingewiesen, in der es um die US-Immobilienkrise ging. Die Sendung schaffte es, dieses komplexe Ereignis relativ nachvollziehbar zu erklären. In Folge 355: The Giant Pool of Money illustiert die Immobilienkrise auf verschiedenen Ebenen und anhand verschiedener Akteure, ohne sie als das Produkt individueller Fehler darzustellen. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass es sich vielmehr um einen systemisch produzierten kollektiven Wahnsinn handelt.

Nicht zuletzt aufgrund des großen Erfolges dieser Folge gibt es bei National Public Radio jetzt eine neue Sendung von Adam Davidson, die sich mit dem Finanzsystem und den aktuellen Ereignissen beschäftigt. NPRs Planet Money erklärt, was es mit “naked short selling”, Fannie und Freddie auf sich hat, warum die USA so sehr von China abhängen, und beantwortete am morgen der Lehmann Brothers Pleite sogar Hörer_innenfragen. Die Sendung gibt es als Podcast mit jetzt 10 Sendungen à 10 bis 20 Minuten, und einen dazugehörigen Blog. Mein Tipp, um das alles ein bisschen besser zu verstehen und sich Gedanken darüber zu machen.

Zwei feministische Werkstätten und eine Veranstaltung zum Grundeinkommen

Nach der Sommerpause nimmt die Feministische Werkstatt in Hamburg wieder ihre zwei-monatliche Routine auf. Für Oktober und Dezember sind Veranstaltungen zu Arbeit/Arbeitszeitverkürzung und zum Aufbrechen heteronormativer Familienbilder geplant. Zwei sehr spannende Themen, und der Film “natürlich: kai“, der im Dezember gezeigt wird, ist wirklich toll! Im Oktober wird es außerdem eine weitere Veranstaltung zum bedingungslosen Grundeinkommen geben. Zeit, Ort und Details nach dem Klick!
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