Secret Sister: Ein Schneeballsystem

Seit Oktober geht eine Aktion durch die Sozialen Netzwerke, die Geschenke Geschenke Geschenke verspricht. Secret Sister funktioniert so: Wer mitmacht, schickt einer anderen Secret Sister ein Geschenk im Wert von bis zu 10 Dollar oder Euro. Sie kann sich dann (angeblich) darauf freuen, von anderen Sisters bis zu 36 Geschenke zugeschickt zu bekommen, muss dazu allerdings sechs weitere Mit-Sisters in das System rekrutieren. Wie Wichteln, nur mit besserem Return of Investment. Unter dem Hashtag #secretsister werden auf Twitter und Instagram jetzt die Fotos von frisch ausgepacktem Nagellack und anderen Dingen gepostet und die Beschenkten sind ganz gerührt.

Anyone interested in a Holiday Gift exchange? I don’t care where you live – you are welcome to join. I need 6 (or more) ladies of any age to participate in a secret sister gift exchange. You only have to buy ONE gift valued at $10 or more and send it to one secret sister and you will receive 6-36 in return!
Let me know if you are interested and I will send you the information!
TIS THE SEASON! and its getting closer. COMMENT if You’re IN and I will send you a private message.

Öffentliche Postings dieser Art machen Lust, teilzunehmen. Die Instruktionen gibt es dann per Privatnachricht, vermutlich mit Adressen (mich würde interessieren, wie diese aussehen). Secret Sister ist ein klassisches Schneeballsystem, auch Pyramidensystem genannt, bzw. eine Unterform davon: Der Schenkkreis. Das ist nichts Neues. Ich erinnere mich noch daran, dass eine Nachbarin immer wieder versucht hat, meine Mutter für solcherlei Projekte zu gewinnen. Damals ging es um Geschirrhandtücher(!) und Kinderbücher.

Das Problem mit Schneeballsystemen ist, dass sie schnell an die Wand fahren. Diejenigen, die das Ding gestartet haben oder früh eingestiegen sind, nehmen die Geschenke mit, während die unteren Reihen sich abrackern, um weitere Mitstreiterinnen zu gewinnen, am Ende aber leer ausgehen.

Mathematisch funktioniert das so (Potenzen!)

6^0 = 1 (Die erste Person sucht sich 6 Mitspieler_innen)
6^1 = 6 (Diese gewinnen jeweils wieder 6 Mitspieler_innen)
6^2 = 36 (usw.)
6^3 = 216
6^4 = 1296
6^5 = 7776
6^6 = 46.656
6^7 = 279.936
6^8 = 1.679.616
6^9 = 10.077.696
6^10 = 60.466.176
6^11 = 362.797.056
6^12 = 2.176.782.336 (> 2 Milliarden)
6^13 = 13.060.694.016 (> Weltbevölkerung)

Ich vermute, dass es in den ersten sechs Reihen ganz gut läuft und dann schwieriger wird. Wer neu einsteigt, weiß natürlich nicht, an welchem Punkt in der Kette sie das tut. Spätestens in Reihe 12 sind die Lady-Internetnutzer_innen der Welt alle dabei und in Reihe 13 braucht das Spiel 13 Milliarden Teilnehmer_innen, also fast die doppelte Weltbevölkerung.

Schneeballsysteme in Form von Geschäftsmodellen oder Bargeld-Schenkkreisen sind in vielen Ländern illegal – wie zum Beispiel Snopes.com für die USA erklärt. Bei Geschenken von geringem Wert wie in diesem Spiel dürfte die Teilnahme in Deutschland juristisch unproblematisch sein, denn wirklich viel zu verlieren gibt es letztlich nicht. Allerdings wird vor Identitätsdiebstahl gewarnt.

Ich persönlich wundere mich ehrlich gesagt darüber, warum viele bei dem Versprechen, eine Sache zu geben und 36 dafür zurück zu bekommen, nicht skeptisch sind. Ehrlich gesagt finde ich es auch ein bisschen greedy, aber gut, das legt uns der Kapitalismus (Vorsicht: Abbildung enthält verkürzte Kapitalismuskritik) auch nahe. TIS THE SEASON! Aber tut euch einen Gefallen und wichtelt lieber one to one.

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