Happy Herrentag

herrentagHeute ist Christi Himmelfahrt, auch als Herren-, Männer- oder Vatertag bekannt. Während die Familie die Mama am Muttertag mit Blumen und Kuchen ehrt, geht’s am Vatertag auf zur feucht fröhlichen Herrenpartie. Eine schöne Aktion dazu gab es 2002 in Berlin. Die AG Gender Killer hatte eine Bekanntmachung im Namen des damaligen Berliner Wirtschaftssenators Gregor Gysi plakatiert, die Gewalt durch heterosexuelle, deutsche Männer thematisiert und eine Ausgangssperre verkündet.

Bekanntmachung

Ausgangssperre für Männer am 09. Mai 2002

1.) Für die Zeit vom 08. Mai 2002, 23.00 Uhr bis zum 10.Mai 2002, 01.00 Uhr wird imgesamten Stadtgebiet eine Ausgangssperre für alle deutschen, heterosexuellen Männer verhängt.
2.) Ausnahmegenehmigungen für besondere Berufsgruppen wie Ärzte und Feuerwehrmänner können bei der zuständigen Behörde bis zum 03. Mai 2002 beantragt werden.
3.) Außer dem Arbeitsrecht bleiben alle weiteren Gesetzte von der Verfügung unberührt.
4.) Zur Durchführung und Durchsetzung der Ausgangsperre wird auf die Erkenntnisse der Meldestellen und anderer Behörden zurückgegriffen.

Am so genannten “Herrentag” häufen sich seit Jahren sexistische, rassistische, faschistische und antisemitische Pöbeleien, Übergriffe und Anschläge. Bei den Tätern handelt es sich fast ausnahmslos um deutsche, heterosexuelle Männer. Jahr für Jahr ziehen diese alkoholisiert durch die Straßen und praktizieren Gewalt gegen Frauen, Lesben, Schwule, MigrantInnen, Behinderte und andere Menschen die sie nach ihrer patriarchal-nationalistischen Ideologie für minderwertig halten. Am so genannten “Männertag” tritt diese in Deutschland zur Normalität gewordene Gewalt in potenzierter Form auf. Die Berliner Polizei ist auf Grund ihrer patriarchalen Strukturen und der reaktionären Weltanschauung des Großteils der BeamtInnen nicht in der Lage solcherart Übergriffe zu unterbinden. Aus diesem Grund haben wir uns zu dem ungewöhnlichen Schritt der Ausgangssperre entschlossen. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren zudem die positiven Erfahrungen mit dem Modelprojekt “Platzverweis aus der Wohnung in Fällen häuslicher Gewalt”. Bei diesem von der ehemaligen Frauensenatorin Gabriele Schöttler und dem Polizeipräsidenten Gerd Neubeck gemeinsam initiierten Projekt wurden gewalttätige Männer bis zu 7 Tage der Wohnung verwiesen. Denn die auch am so genannten “Vatertag” auf die Straße getragene sexistische Gewalt findet zum überwiegenden Teil im privaten Raum statt. So stammen die Täter sexualisierter Gewalt zum Großteil aus dem Bekanntenkreis der betroffenen Frauen und Kinder. Mit der Ausgangssperre für Männer soll diese Gewalt nicht wieder in den nicht-öffentlichen, familiären Raum verdrängt werden um sie damit unsichtbar zu machen. Vielmehr soll der öffentliche Raum an diesem Tag als Schutzraum für die Betroffenen etabliert werden. Der Männergewalt soll an diesem Tag ganz praktisch aber vor allem symbolisch etwas entgegengesetzt werden. Es soll aufgezeigt werden, dass rassistische, sexistische, … Übergriffe immanenter Teil der Verhältnisse sind in denen wir leben und die von jedem und jeder einzelnen mehr oder weniger getragen werden. Am 09. Mai 2002 sollen im gesamten Berliner Stadtgebiet Veranstaltungen, Konzerte, Partys, usw. von und für Frauen, Lesben, Schwule, Behinderte, MigrantInnen und Kinder stattfinden. Damit soll den Tätern der (öffentliche und private) Raum genommen werden, den sie sonst so selbstverständlich in Anspruch nehmen.

Im April 2002, Gregor Gysi ( Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen )

Satire!

Edit 2014: Das Dokument ist heute 12 Jahre alt. Eins kann daran gut nachvollziehen, wie sich die Begrifflichkeiten queer-feministischer Auseinandersetzungen verändern. Zum Beispiel war damals das Wort “cis” noch nicht bekannt und heute würde auf so einem Plakat sicher auch von “weiß” die Rede sein, statt lediglich die Differenz “Deutsch” – “Migranten” aufzumachen. Yay Quellen.

7 comments

  1. ml says:

    groß, ganz groß. ich will die straße wiederhaben. netter weise regnets heute, und die deutschen männer müssen sich nicht selbst nass machen… :)

  2. Juchihita says:

    Warum würde heute von “weiß” die Rede sein, wenn es um (auch verbale) Übergriffe von Typen geht? Ich hab bis jetzt nicht die Erfahrung gemacht, dass es nen Unterschied macht, ob Typen weiß positioniert sind oder nicht (oder wie ich die halt wahrnehme…), wenn es darum geht, ob sie mich auf der Straße auf “diese” (mag es jetzt nicht ausschreiben) Weise anlabern etc. Oder meinst du, “weiß” würde heute drin vorkommen, weil es nicht um Mackergewalt (ich nenn’s jetzt mal so) gegenüber Frauen* geht, sondern generell um Mackergewalt, die sich auch gegen Leute richtet, die von den Typen als nicht-weiß gelesen werden? Ich weiß gerade nicht, wie ich das finden soll, weil ein Schutzraum für mich irgendwie nicht mehr so richtig funktioniert, wenn da nicht-weiße Typen auch drin sind (eben weil es Typen sind).

  3. ihdl says:

    Ich spekuliere eigentlich erstmal nur, dass sich eine Gruppe, die heute so eine Aktion machen würde, irgendwie zu Weißsein verhalten und dass das, was im Text von 2002 anhand von “deutsch” – “migrantisch” verhandelt wurde, heute anhand von “weiß” – “of color” ausgehandelt würde. Vielleicht würde sie genau die Fragen vorher diskutieren, die du aufmachst.

  4. manu says:

    shit. ich hasse es, dass ich so geboren wurde, eurem feindbild zu entsprechen. what can i do?

  5. Lxyz says:

    Ich bin selbst cis-Mann und Vater, habe aber den “Vatertag” nie begangen. Geplante Sauferei und Pöbelei finde ich peinlich. Ich kann verstehen, wenn Menschen, die einer unterdrückten Gruppe angehören, mit einem jährlichen (Fest-)Tag auf ihre Lage aufmerksam machen wollen etc. (vgl. z.B. Christopher Street Day), aber wenn sich die wohl am wenigsten unterdrückte Gruppe der Gesellschaft dieses Recht auch noch herausnimmt und dann nichts anderes macht als über die Stränge zu schlagen, ist das in meinen Augen einfach nur lächerlich.

  6. ihdl says:

    Moderationsnotiz: Weitere Ausführungen von #notallmen-Leuten, die hier die hier den ersten Schritt einer Umsetzung feministischer Gewaltherrschaft beschrieben sehen, weil sie das Wort Satire nicht kennen, werden *trommelwirbel* nicht freigeschaltet.

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