Category: Kunst

OK Google

Montag früh. Im Lufthansa-Flug Hamburg-München sitzen vorwiegend Geschäftsleute auf dem Weg zum ersten Termin der Woche. Noch steht die Maschine auf dem Rollfeld. Während die letzten Gepäckstücke verstaut werden, haben die meisten Insassen ihre Telefone und Tabletts in der Hand und checken noch mal schnell ihre Mails. Plötzlich übertönt eine laute Stimme die Szenerie:

OK Google: Mail an Chef. Betreff: Ich kündige. Text: Ich kündige. Senden.

Dies ist ein Anti-Terror-Anschlag des Asozialen Netzwerks.

Helena & Karl

Ich war heute in St. Wendel unterwegs. Meine Mutter machte mich im Vorbeifahren auf eine neue Statue aufmerksam, die in der Oberstadt bei der Stadtmauer aufgestellt wurde. Sie zeigt Helena Demuth, eine der wenigen bekannten Töchter der Kleinstadt. Schwanger steht die kleine Frau aus Bronze da, die eine Hand auf ihrem Buch, den Kopf etwas gesenkt und lächelnd auf ein Bild blickend, das sie in der anderen Hand hält.

Bronze-Statue von Helene Demuth, Seitenansicht

Diese Position regt die Betrachterin dazu an, Helena über die Schulter zu blicken. Auf dem Bild, das sie in der Hand hält, ist der Kopf eines sehr bärtigen Mannes abgebildet. Es ist eine der ganz klassischen Marx-Abbildungen. Ikonographisch.

Helena Demuth wurde am 31. Dezember 1820 in St. Wendel geboren. Mit 16 Jahren kam sie nach Trier und arbeitete bei den Eltern der späteren Jenny Marx als Hausmädchen. Später wurde sie Haushälterin bei Jenny und Karl Marx, zog mit ihnen von Brüssel nach Paris, lebte mit ihnen in Köln und landete zum Schluss in London. Es wird berichtet, dass sie mit Marx diskutiert und Schach gespielt habe. Nach Marx’ Tod wurde sie die Haushälterin von Engels.

Blick über die Schulter der Demuth-Statue mit Karl-Marx-Bild in der Hand

Nun wird sie als Schwangere porträtiert, mit der Marx-Abbildung in der Hand. Eine Frau, die in 70 Lebensjahren nur ein Kind, Harry Frederick Demuth, geboren hat. Die Geschichte dahinter ist Boulevard. Man sagt, dass Karl Marx Freddys Vater war. Freddy ist bei einer Pflegefamilie aufgewachsen und Stalin hat angeblich alle Hinweise auf Marx’ Fehltritt und das uneheliche Kind vernichten lassen. Der Bildhauer Kurt Tassotti hat sich dazu entschlossen, diese Szene aus ihrem Leben in den Vordergrund zu rücken, um den Bezug zu Marx so deutlich wie möglich herauszuarbeiten. Ohne ihre Anstellung bei der Familie Marx und ohne den Bezug zu diesem großen, weißen Mann (mit Bart) hätte St. Wendel keine 30 000 Euro ausgegeben, um eine einfache Haushälterin zu ehren. Dabei kann sie uns sicher auch etwas über Reproduktionsarbeit als Lohnarbeit und die Verpflechtung von Geschlechter- und Klassenverhältnissen erzählen. Man hätte Helene Demuth mit ihren Held_innen zeigen können: Dem größten Suppentopf und ihrer Kaffeekanne.

Menstruation Machine

Wir leben jetzt ja wieder in der Zukunft, heißt es. Fancy Technik hier, dystopischer Cyberwar da. Vielleicht bauen wir uns die Raumschiffe einfach selbst. Einwand: Erstens ist die Zukunft demnächst und zweitens wäre da noch diese Frage: “It’s 2010, so why are humans still menstruating?”

Menstruation Machine by Hiromi Ozaki

Hiromi Ozakis Menstruation Machine simuliert das Bluten bei der Menstruation. Wer sie sich umschnallt erlebt durch eingebaute Elektroden die Krämpfe im Unterbauch, die während der Blutung plagen können und fragt sich vielleicht: “What does Menstruation mean, biologically, culturally and historically, to humans? Who might choose to have it, and how might they have it?”

Foto: we-make-money-not-art.com