Frauen und Twitter

Der typische deutsche Nutzer des Microbloggingdienstes Twitter ist 32 Jahre alt, hat Abitur, macht was mit Medien, betreibt einen Blog und ist ein Mann – so die nun veröffentlichten Ergebnisse einer Twitterumfrage. 2800 Twitternde wurden im März 2009 gefragt, warum und wie sie Twitter nutzen und welche Demographie sich hinter den Accounts verbirgt.

Ich erlaube mir mal für einen Moment, die ganz heteronormative Geschlechterbinarität der Studie nicht zu hinterfragen und stelle fest, dass Frauen nur ein Viertel (25,7 Prozent) derjenigen Twitteruser_innen ausmachen, die an der Umfrage teilgenommen haben. Verschiedene statistisch signifikante Unterschiede bezüglich des Nutzungsverhaltens von Männern und Frauen sind bei der Umfrage ebenfalls herausgekommen: Frauen haben häufiger protected accounts, bei denen neue Follower_innen “freigeschaltet” werden müssen, sie benutzen wesentlich seltener ihre real life Namen auf Twitter und schreiben in ihren Blogs viel häufiger über private Themen.

Dass Frauen häufiger nicht-öffentlich twittern und Accountnamen erfinden, mag überraschen und einen aufgeklärten Menschen ggf. beschämen, liegt doch die Vermutung nahe, dass sich Frauen in der (Twitter-)Öffentlichkeit besser zu schützen versuchen als Männer das tun (müssen?).
Ein Grund für diesen Unterschied liegt evtl. in den unterschiedlichen Themen, über die Frauen und Männer bloggen (siehe letzter Abschnitt). Weil Frauen häufiger über private Themen bloggen, sind ihre Twitteraccounts auch häufiger nicht öffentlich und ihre Accountnamen sollen weniger einen Rückschluss auf die tatsächliche Person zulassen. Es bleibt zu prüfen, inwiefern dies zutrifft bzw. ob für Frauen eine höhere wie auch immer geartete Gefährdung auf Twitter besteht, wovor sie sich durch erfundene Usernamen und protected Accounts zu schützen versuchen.

Im Nutzungsverhalt bei twitter zeigt sich also zum einen, dass Privatheit und Öffentlichkeit zwei Sphären sind, die auch im Jahr 2009 noch geschlechtsspezifisch geprägt sind. Frauen twittern vermutlich häufiger über Privatleben und tauschen sich mit Freunden aus, Männer hauen Informationen über Kram raus, den sie für Öffentlich relevant halten. Ich vermute, der Wunsch nach Anonymität und das Vermeiden von unkontrollierbarer Öffentlichkeit hängt sowohl damit zusammen, dass Nutzerinnen keine Lust haben, dass jede_r ihre privaten Tweets lesen und ihrer Person zuordnen kann, aber auch damit, dass Frauen ihre Privatidentität vor konkreter Gefährdung schützen wollen. Es würde sich sicher lohnen, an diese, von Thomas Pfeiffer aka codeispoetry aufgeworfene Frage noch mal qualitativ ranzugehen. Was erleben Frauen im Netz, was sind die Gefahren und welche Möglichkeiten gibt es, damit umzugehen?

6 comments

  1. Ich habe mir die Studie auch angesehen und war eher negativ überrascht. Offenbar trägt das Web 2.0 weniger zur Verschiebung von Geschlechterstereotypen bei als ich bisher meinte. Aber natürlich kann gefragt werden, wie repräsentativ das Ganze ist.

    Ich selbst blogge, twittere, facebooke … unter meinem vollen Namen und mit allen Infos über mich. Ich habe damit eigentlich keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber ich finde es auch gut, dass ich, wenn mich jemand nervt, z.B. Facebook-Freund_innenschaften wieder beenden kann oder jemand unfollowen auf Twitter. Allerdings überlege ich mir schon recht genau, was ich öffentlich und bleibend mitteile und was eben auch nicht. Eigentlich halt ich die Kontakte im Web 2.0 für Kontakte und wenig für echte Freund_innenschaften – wobei da die Grenze durchaus offen ist, dass sich mehr entwickeln kann. Da gibs ja dann noch immer Direct Messages oder Email ;-)

    Inhaltlich fällt mir aber schon auch der Slogan “Das Private ist politisch” ein, den ich nach wie vor für richtig halte. Insofern wäre zu fragen, was in dieser Studie als “privat” klassifiziert wird und was als “öffentlich”.

  2. ihdl says:

    der text von andrea ist sehr lesenswert, klickt da hin! ich bin mir im übrigen nicht so sicher, ob die studie wirklich davon spricht, dass frauen auch über privates twittern. ich müsste sie mir noch mal ansehen. auf einer grafik ging es ja um die themen, über die sie bloggen, und in einer anderen um das ziel, mit freund_innen in kontakt zu sein.
    ich denke mal, dass “frauen twittern über privates” eine hypothese ist, die aus den ergebnissen abgeleitet werden kann. wenn viele frauen eine art personal marketing betreiben würden (wie zb sascha lobo, um mal das bekannteste beispiel zu nennen), dann würden sie es ja nicht protected und unter eigenem namen tun.

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