mainstreaming the _

Ich sehe ihn seit einiger Zeit nicht mehr nur in queer-feministischen Texten und auf Flyern, sondern auch in unszenig daherkommenden Wohnungsgesuchen an Straßenlaternen. Ich bin mir nicht sicher, ob die performative Bedeutung, die Steffen Kitty Hermann dem linguistischen gender_gap ihrer Zeit verliehen hat, allen, die den _ nutzen bekannt ist, oder ob das _ einfach für cooler befunden wird als das olle Binnen-I. Aber sei’s drum … (Oder wie seht ihr das?)
Neustes Fundstück: In der Rezension von Andreas Fischer-Lescano (Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Uni Bremen) zur Dissertation “Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU” von Karl-Theodor Frhr. zu Guttenberg heißt es:

Zu Guttenbergs Argumentation mäandert vor sich hin und zermürbt die Leser_innen durch seitenlanges Politsprech und die Nacherzählung rechtspolitischer Diskussionen im Konvent. (…) Zu Guttenberg bedient sich bei einer ganzen Reihe von Texten und Autor_innen, ohne die Fremdzitate lege artis kenntlich zu machen. (…) Im hinteren Bereich der Arbeit, wo zu Guttenberg die Notwendigkeit des Gottesbezuges in Verfassungen thematisiert und laizistischen Vertreter_innen vorwirft, dass sie ein Vakuum schaffen, in dem Fundamentalismen aller Art gegenüber dem Humanismus und der Aufklärung leichtes Spiel haben, gibt es weitere urheberrechtlich problematische Passagen. ((Andreas Fischer-Lescano: Karl-Theodor Frhr. zu Guttenberg, Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU. In: Kritische Justiz, Nr. 1/2011, S. 112–119 (PDF).))

8 comments

  1. Benni says:

    Also ich finds einfach besser lesbar. Ich benutz das manchmal ganz pragmatisch. Aber ich benutz eh alle denkbaren Schreibweisen wild durcheinander.

  2. Ulla says:

    fragt sich doch wie oft die Verwendung noch durch eine erklärende, korrekt gesetzte, Fussnote ergänzt wird, oder ob die mainstreamigkeit von den Autor_innen selbst schon angenommen wird und keine weitere Erklärung mehr erfolgt..

    Zu dem konkreten Beispiel: Das Inhaltsverzeichnis des Heftes in dem der Artikel erschienen ist, lässt eher nicht darauf schließen, das es sich um ein juristisches Mainstreammedium handelt..

  3. ihdl says:

    die kritische justiz ist kein juristisches mainstreammedium, da stimmt. aber es ist halt auch keine fachzeitschrift für legal gender studies, sondern außerhalb der feminismus/gender/queer niesche verortet. ich weiß allerdings auch nicht, ob nicht die _ schreibweise sogar im ganzen heft benutzt wird, weil ich nur den text kenne. müsste ich mal nachschauen.

  4. das zu lesen ärgert mich. vor allem mit blick auf interdisziplinarität. wie wichtig ist es bitte, dass menschen sich aus unterschiedlichen (wissenschaftlichen) perspektiven mit fragen beschäftigen? wie wichtig ist es, dass konstruktiv und gemeinsam wirkungsvoll veränderungsprozesse angestoßen werden, die auf einem breiten theoretischen fundament basieren, das bestechend ist und nicht übergangen werden kann? das erfordert auch – soweit es das interesse beinhaltet – dass menschen sich in (wie von dir benannt) ‘nischen’ begeben. aber auch das verständnis und das wohlwollen der sich in den ‘nischen’ befindenden, wenn diese betreten werden.

    es stört mich enorm, dass bestimmte auseinandersetzungen mit (fach)lektüre verbunden sein sollen, die mensch gelesen haben muss, um mitreden zu dürfen. denn es lässt auch all diejenigen unberücksichtigt für die aus unterschiedlichen gründen bildung nicht ohne weiteres zugänglich ist, die sich aber sehr viele und wertvolle gedanken machen und diskussionsbeiträge leisten, die manch eine_n wissenschaftler_in vor realitätsneid erblassen lassen dürften.

    ist es nicht wichtig, dass diese unterschiedlichen perspektiven in der lebenswirklichkeit zusammengebracht werden? wo ist da bitte der mainstream zu verorten? weißt du wie viele gedanken sich jede_r einzelne bei der verwendung des unterstrichs tatsächlich gemacht hat bevor er verwendet wird?

  5. ihdl says:

    Mhm, mein Kommentar war gar nicht so bewertend/kritisch gemeint, wie es anscheinend rübergekommen ist. Ich nehme da eine Entwicklung dar und bei der Rezension musste ich wirklich grinsen :) Vor ein paar Jahren kannten halt nur ganz wenige Leute in der queer Nische diese Schreibweise und man musste sich ganz schön rechtfertigen dafür, so eine bekloppte Schreibweise zu verwenden. Heute höre ich auch schon mal, das sähe einfach cooler aus als das Binnen-I. Ich frage mich halt, wie sich der Effekt des Unterstrich im Laufe dieser Entwicklung verändert, und Ich freu mich auch darüber, ihm zu begegnen. Also alles in allem eine spannende Entwicklung, die ich beobachten will, ohne dass ich sage: Nur wer den und den Text gelesen hat darf dazu was sagen und diese Schreiweise verwenden.

  6. verstehe. es ist natürlich sehr spannend von dir eine entwicklung beschrieben zu bekommen :)

    was mich reagieren ließ war die mainstream-verknüpfung mit einem der wenigen kritischen juristischen zeitschriften. aber auch weitergedacht die mainstream-frage insgesamt eben an diesem beispiel.

    danke für deine antwort!

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