Category: Körper

Jenseits der Geschlechtergrenzen im Sommersemester 2009

In der nächsten Woche, genauer gesagt am 8. April, beginnt an der Universität Hamburg wieder die Vortragsreihe “Jenseits der Geschlechtergrenzen”, die von der AG Queer Studies organisiert wird.

Unsere Vortragsreihe “Jenseits der Geschlechtergrenen” startet wie gewohnt mit einer Einführung der AG?Queer Studies ins Sommersemester 2009. Am 14. April freuen wir uns auf Christian Klesse, einen alten Bekannten unserer Vortragsreihe, der über die “Schwierigkeiten in der Aushandlung nichtmonogamer Lebensweisen” sprechen wird. Mit feministisch-queeren Raumkonstruktionen am Bespiel des Ladyfests Wien beschäftigt sich Barbara Maldoner-Jäger in ihrem Vortrag am 20. Mai, und in der Woche darauf gibt uns Kerstin Palm einen Einblick in die evolutionstheoretische Schönheitsforschung, durch die “spezifische Schönheitsideale mit der Autorität der Natürlichkeit ausgestattet werden”.

Das Zusammendenken unterschiedlicher Formen des gesellschaftlichen Ein- und Ausschlusses bildet auch dieses Semester wieder einen Schwerpunkt in unserem Programm. Mit der intersektionalen Arbeit von LesMigras Berlin beschäftigt sich Lisa Thaler in ihrem Vortrag am 22. April, am 1. Juli spricht Olaf Stuve über “Identitätskritische Jungenarbeit aus intersektionaler Perspektive” und den Semesterabschluss bildet Martina Tißberger mit ihrem Vortrag “Dark Continents. Psychoanalyse, Gender und Whiteness” am 15. Juli. Wir freuen uns außerdem besonders, in diesem Semester zwei Vorträge aus dem Themenbereich Disability Studies im Programm zu haben. In Kooperation mit dem Zentrum für Disability Studies (ZeDiS) wird Christiane Hutson am 13. Mai einen Vortrag mit dem Titel “Unverschämt – Was Rassismus, Heterosexismus und Ableismus mit uns machen” halten, und am 17. Juni spricht Swantje Köbsell über “Behinderung und Geschlecht”. Wie in jedem Semester decken die verschiedenen Vorträge ein interdisziplinäres Spektrum an Themen ab und verdeutlichen queerende Forschungspraxen und Perspektive auf Geschlecht und Sexualität. Weitere Informationen zu den einzelnen Vorträgen findet ihr im Programmheft und nach dem Klick!
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Achtlinge

Die Kalifornierin Nadya Suleman hat mit Hilfe künstlicher Befruchtung Achtlinge zur Welt gebracht. Sechs Kinder hatte sie schon. Die jetzt 14-fache Mutter ist unverheiratet, ohne Job und befindet sich im Privatkonkurs. Ihre Mutter gibt zu Protokoll: “The truth is, Nadya’s not capable of raising 14 children.”

Die Sensationsgeburt hatte in den USA zunächst Begeisterung ausgelöst. Als jedoch bekannt wurde, dass die allein stehende Mutter bereits sechs kleine Kinder hatte, schlug der Jubel in Empörung um. (dieStandard)

In geregelten Verhältnissen, also mit Ehemann und ausreichender finanzieller Ausstattung, wäre die Geburt der Achtlinge als wunderbare Erfolgsgeschichte der modernen Medizin gefeiert worden. In Nadya Sulemans Fall ist die Empörung groß und die Medien stürzen sich auf die Geschichte. Frau Suleman, die übrigens Angelina Jolie nicht unähnlich sieht, wird als eine von Kindern besessene und verantwortungslose Person dargestellt, und ihren Ärzten wird vorgeworfen, die Behandlung durchgezogen zu haben.

Das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren eigenen Körper ist ein zentraler feministischer Wert. Dieses Recht wird immer wieder im Namen von Moral, Nation, “Rasse” oder Gesellschaft eingeschränkt. Abtreibungsverbote, Zwangssterilisierungen und der Ausschluss von nicht-heterosexuell lebenden oder alleinstehender Frauen von Reproduktionstechnolgien sind die Folge. In den USA wird diskutiert, ob Apotheker das Recht haben, aus Glaubensgründen keine Verhütungsmittel und die Pille danach verkaufen zu müssen. In kleineren Gemeinden könnte das zur Folge haben, dass diese Produkte vor Ort nicht mehr zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund wundert es mich zunächst nicht, dass Feministinnen sich auf die Seite Nadya Sulemans schlagen:

I’ve been on the side of Nadya Suleman ever since the story broke that the octoplet-baring woman was single, jobless, and already had 6 kids to take care of. Yes, it is irresponsible for her to have so many children that she can’t provide for. Yes, it may have been irresponsible of the Fertility Doc to implant 6 embryos. But I don’t like the idea of a fertility doctor making decisions about how many babies a woman should have — no matter what her circumstances. (Bust Blog)

Ich finde diese Position zwar nachvollziehbar, aber gleichzeitig stört mich der Hyper-Individualismus. Während die Entscheidung über den eigenen Körper letztlich Sache des Individuums ist, stelle ich es mir merkwürdig vor, wenn Ärzte und Ärztinnen vor einem individuellen Recht auf Privatheit und eigene Entscheidungen nichts mehr sagen können, was über die medizinischen Aspekte hinausgehen könnte. Das dazugehörige Konzept von Gesellschaft als Ansammlung autonomer Subjekte, deren Verbindungen vor allem aus ökonomischen Tauschbeziehungen bestehen, behagt mir nicht.

Update: Auf dem Bitch Magazine Blog wurde ein Artikel gepostet, der einige wichtige Fragen nach dem Zusammenhang von Klasse und Kinderkriegen aufwirft.

Hochkarätige Tagung zu Intersektionalität in Frankfurt

Am 22. und 23. Januar 2009 findet in Frankfurt/Main die Konferenz Celebrating Intersectionality? Debates on a multi-faceted Concept in Gender Studies statt.

Over the last decade, the concept of ‘intersectionality’ has attracted much attention in international feminist debates. It was embraced as well as repelled by many scholars and at the same time, it has made an incredible international career. Twenty years after the concept was coined by Kimberlé Crenshaw in 1989, it seems appropriate to bring together protagonists as well as critics and discuss the ‘state of the art’ with those that have been influential in this debate.

Wow, im Vergleich zum Intersektionalitätsworkshop Ende November in Hamburg ist diese Konferenz ganz schön hochkarätig besetzt. Neben Helma Lutz, Cornelia Klinger, Birgit Sauer und Paula Irene Villa als Vertreterinnen der Debatte im deutschsprachigen Kontext werden u.a. Nira Yuval Davis (University of East London), Kathy Davis (University of Utrecht), Gloria Wekker (University of Utrecht), Dubravka Zarkov (Institute of Social Studies, The Hague), und Nina Lykke (University of Linkoeping) zur Konferenz beitragen. Und keine geringere als Kimberlé Crenshaw (University of California, L.A.), die den Begriff Intersektionalität 1989 eingeführt hat, wird ebenfalls nach Frankfurt kommen.

Ich bin gespannt, ob die Konferenz neue Impulse in die deutschsprachige Debatte über Intersektionalität geben wird, und denke darüber nach, hinzufahren. Bis zum 9. Januar ist die Registrierung möglich.

Zweiter Workshop zu Intersektionalität

Unter dem Titel “Doing Intersectionality. Über das Recht auf Verschiedenheit und den Umgang mit Differenz” findet vom 28. bis 30. November 2008 der zweite Workshop zu Intersektionalität in Hamburg in diesem Jahr statt. Den ersten habe ich hier angekündigt.

Im Rahmen des zweiten Workshops in diesem Jahr möchten wir Menschen, die in beruflichen, politischen, künstlerischen sowie wissenschaftlichen Zusammenhängen oder auch „privat“ mit Verschiedenheit und Intersektionalität zu tun haben, Raum zur Vorstellung und Diskussion ihrer Erfahrungen und Gedanken geben.

Ziel ist es, Umgangsweisen mit und Perspektiven auf Verschiedenheit und Intersektionalität auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Kontexten zu diskutieren. Wir laden Praktiker_innen, politische Aktivist_innen, Künstler_innen, Wissenschaftler_innen und Studierende herzlich zur Mitwirkung ein.

In einer Keynote von Elisabeth Holzleithner aus Wien mit dem Titel “Vielfalt zwischen Managment und Herrschaftskritik” am Freitag Abend und vier Pannels am Samstag und Sonntag werden die Bereiche Normativität, Ökonomie, Subjektivität und Herrschaftskritik in den Blick genommen. Genauere Informationen zu Ort, Zeit und Programm finden sich in diesem Flyer. Der Workshop wird veranstaltet von der Gemeinsamen Kommission für Frauenstudien, Frauen- und Geschlechterforschung, Gender und Queer Studies Hamburg

Hoffnungsvoll Feministisch in Bremen

Von Freitag bis Sonntag ist Bremen Hoffnungslos Feministisch. An diesem Wochenende sollen unterschiedliche feministische und queer-feministische Perspektiven zusammengebracht werden, um über die eigenen Theorien und Praxen zu sprechen – ein Anliegen verschiedener Gruppen, das im Kontext der G8 Mobilisierung im vergangenen Jahr entstanden ist. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich feministische Politiken in den letzten Jahren verändert haben. Unter anderem wird darum das Verhältnis von feministischen und queeren Ansätzen diskutiert, es geht um anti-rassistische und Körperpolitiken, und auch die Tatsache, dass nur Frauen, Lesben, Transgender, Inter- und Transsexuelle an diesem Wochenende miteinander diskutieren können, wird hoffentlich Thema sein.

Ich werde zusammen mit Do. Gerbig am Samstag Nachmittag einen Vortrag/Workshop zu queerer Ökonomiekritik anbieten. Dort werden wir verschiedene antikapitalistisch/queere Politikansätze vor- und zur Diskussion stellen.

Komplex radikal: Queere Ökonomiekritik.
Kapitalismuskritik und Queer sind beide radikal und versuchen beide, die Komplexität sozialer Praxen zu begreifen. Sie liefern eine vielschichtige Sicht auf Herrschaftsstrukturen und beleuchten bestimmte Aspekte gesellschaftlicher Unterdrückung. Während Kapitalismuskritik Ausbeutungsverhältnisse rund um die Verteilung von Produktionsmitteln fokussiert, wendet sich Queer in erster Linie gegen Normativität und Identitätszwang. Beide verstehen sich als grundlegende Gesellschaftskritik. Jenseits davon, im Marxismus nur eine binäre Beschäftigung mit dem Hauptwiderspruch zwischen Arbeiterklasse und Kapital, und in Queer nur die schwul-lesbische Forderung nach der Anerkennung und dem Einschluss ins Bestehende zu sehen, interessiert uns, wo Verknüpfungspunkte sind und was beide gewinnen würden, vom jeweils anderen zu lernen.

Wir hoffen, dass wir auch über die aktuelle Finanzmarkt/Wirtschaftskrise und das sich verändernde Verhältnis zwischen Kapitalismus und Staat reden können. Ergeben sich daraus queer-feministische Visionen oder ist unser Einsatz dringend gefragt?

Ich bin gespannt auf die verschiedenen Leute dort, die vermutlich aus ganz unterschiedlichen Kontexten und Traditionen kommen. Vielleicht befördert das Wochenende ein solidarisches Nebeneinander, was meiner Meinung schon ein wichtiger Schritt ist, oder macht sogar Lust auf Kollaborationen. Ich bin ganz hoffnungsvoll!

Taz Kommentar zu Thomas Beatie – Verstoß gegen Pressekodex?

Als in der vergangenen Woche in der Taz ein Pro/Contra Artikel zur Schwangerschaft von Transmann Thomas Beatie erschien, löste der Text von Arno Frank zur Frage, ob Beatie nun Vater oder Mutter sei, eine Vielzahl von Reaktionen aus. Obwohl die Taz auf dem Küchentisch lag, erfuhr ich über den Text zunächst über diverse Mailinglisten. Auch in Blogs wie yeahpope, andersdeutsch und bei Till Westermayer wurde das Thema kritisch aufgegriffen.

Der Text von Frank, den ich an dieser Stelle nicht zitieren möchte, löste Proteste aus: In der Leserbriefspalte der Taz am Wochenende war Franks Text das einzige Thema, und alle Leserbriefschreiber_innen bezogen Stellung gegen die diskriminierende und patologisierende Polemik des Autors. Auf der Webseite der Taz waren nach erscheinen des Textes zunächst drei Leser_innenkommentare zu sehen. Ich hatte selbst einen Kommentar hinterlassen, aber zu diesem Zeitpunkt wurden vermutlich zunächst keine weiteren Kommentare mehr freigeschaltet. Der Zählerstand blieb in den nächsten Stunden auf 3. Heute habe ich die Seite noch einmal aufgerufen, und jetzt sind dort 40 eingegangene Kommentare zu lesen (meinen aber nicht *seufz*). Anscheinend war die Zahl der Leser_innenreaktionen hoch genug, um den Redakteuren dort einiges an Arbeit zu machen.

Lukas hat in seinem Blog angeregt, beim Deutschen Presserat Beschwerde gegen den Text von Arno Frank einzulegen:

Sowohl der Autor als auch die Taz selbst, verstößt mit dem Verfassen und Abdrucken dieses Artikels gleich gegen mehrere Ziffern des Pressekodex und zwar gegen:

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Ziffer 9 – Schutz der Ehre
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

Ziffer 12 – Diskriminierungen
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Das ist ein bedenkenswerter Vorschlag, wie ich finde. Ich hoffe ja noch darauf, dass die Taz von sich aus zu dem Thema noch einmal Stellung nimmt, und die negativen Reaktionen auf Franks Artikel selbstkritisch aufgegriffen werden. Eine Entschuldigung wäre angebracht. Bisher habe ich in dieser Richtung aber leider noch nichts gelesen.

Alles muss raus!

Was für ein toller Kommentar von beaha bei dieStandard:

Nicht nur der Körper, auch der Darm, Stoffwechsel und Verdauung müssen fit sein, denn die Direktive lautet: Sichtbares oder Unsichtbares – es muss weg, oder: Es muss raus. Was weg und was raus muss, entscheidet aber nicht unser “Bauchgefühl”, sondern vielmehr das der VerdauungsfetischistInnen, die ihre Fit = Schön = Gesund-Vorstellungen gern auf unsere privatesten Körperfunktionen ausdehnen.

Was wäre das ganze Selbstmanagement ohne die innovative Lebensmittelindustrie und ihre Werbeargenturen? Seit dem ich dieses Video vor einiger Zeit bei Feministing gesehen habe, kringele ich mich jedes Mal vor lachen, wenn im Fernsehen Joghurtwerbung läuft. Das hilft bestimmt auch beim Verdauen: