Category: Medien

#dcka im Januar 2013: 29c3, Anna & Arthur im Social Web

logo des der computer kann alles podcastHier kommt die aktuelle Folge unseres netzpolitischen Magazins im Freien Sender Kombinat: Der Computer kann alles – Januar 2013. Die Themenauswahl gestaltet sich übersichtlich. Wir widmen uns ausführlich dem 29. Chaos Communication Congress, der in Ende 2012 in Hamburg stattfand. Wir besprechen das Motto “Not my department” sowie einige ausgewählte Talks. Alle Links zu den genannten Vorträgen findet ihr hier, die Mitzeichnungen aller Vorträge sind verlinkt im Congress-Wiki, aber auch bei youtube zu finden.

Außerdem werfen wir einen kurzen Blick auf die Sexismusdiskussion rund um den Kongress und die creepermovecards, die dabei eine Rolle gespielt haben. Wie immer ist die Podcastversion der Sendung musikfrei, diese beiden Stücke solltet ihr aber unbedingt anhören:

Tom Lehrer: Wernher von Braun
Moritz Simon Geist: Manual Play

Weitere Themen der Sendung:

  • Das Projekt Hardware für alle, eine Plattform, auf der Hardware verliehen und verschenkt werden kann.
  • Das Statement von Nadir mit dem schönen Titel Plötzlich plappern Anna und Arthur, in dem dazu aufgerufen wird, Facebook, GMX, Google und co. zu verlassen, sich kritisch mit dem Internet auseinander zu setzen und wieder auf unabhängige und sichere Angebote zu setzen.
  • Die schon vor einigen Monaten ausgerufene Deadline für de.indymedia.org mit der Frage, wie es mit diesem linken Medienprojekt weitergehen soll, welche Schwierigkeiten es dabei gibt und was die Perspektiven von Gegenöffentlichkeiten im Zeitalter des Social Webs sind. Zum Weiterlesen und Informieren hier noch der Bericht zu den beiden Indymedia-Treffen, die in den letzten Wochen in Hamburg stattgefunden haben.
  • Am 13. Februar hören wir uns, wenn ihr mögt, wieder: Live vom 17 bis 19 Uhr auf FSK und später dann auf freie-radios.net und im Podcast Feed.

    Discourse does not compute

    Ein schönes Beispiel aus der Reihe “Wer verbindet was mit wem? Angewandte Diskursforschung” heute morgen in der Presse. Anlässlich der Meldung, dass es in diesem Jahr eine Rekordzahl von einer Millionen Sanktionen bei Hartz 4-Empfänger_innen gab, wird eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit zitiert. Sie warne davor, die Zahlen überzubewerten. “Die Missbrauchsquote liege bundesweit bei 3,2 Prozent, demnach hielten sich fast 97 Prozent der 4,35 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher an die Gesetze” (so gefunden bei Spiegel Online).

    Hinter diesem Zitat verbirgt sich die Annahme, Ottilie Normalbürgerin denkt beim Thema “Hartz 4-Sanktionen gestiegen” als erstes daran, dass der Leistungsmissbrauch durch Hartz 4-Beziehende gestiegen sein muss. Sonst würde ja der Staat nicht sanktionieren. Die BA-Sprecherin bezieht sich also auf den hegemonialen Diskurs – “Hartz 4-Empfänger_innen sind faul und erschleichen sich Leistungen auf Kosten der Steuerzahlerin” –, ohne diesen Bezug ist ihre Aussage nicht sinnvoll. Sie bedient also diesen Diskurs, obwohl sie inhaltlich ja erstmal das Gegenteil sagt, nämlich dass die Missbrauchsquote gar nicht so hoch ist.

    Mir fällt beim Stichworten “Missbrauch” und “Hartz 4-Sanktionen” ja als erstes ein, dass viel sanktioniert wird, weil das ganze System voller Schikanen ist. Die Leute können den unmöglichen Forderungen dieses Systems gar nicht nachkommen. Ich frage mich also: Wenn es kein großes Problem mit Missbrauch gibt, wozu eine Million Sanktionen?

    Ich hoffe, dass sich viele diese Frage viele. Es wird schwieriger werden, diesen Diskurs aufrechtzuerhalten, je mehr Leute Erfahrungen mit Gängelung und Sanktionen machen mussten, also wissen, dass die Sanktionen auch sie bzw. Leute, die sie kennen, treffen könnten.

    Es war nicht alles schlecht in der Apfelfabrik

    This American Life ist Mike Daisy auf den Leim gegangen, ebenso wie unzählige Hörer_innen der NPR Show. Seine Story hält, wie sich jetzt herausgestellt hat und in der Folge “Retraction” auf sehr hörenswerte Weise nachvollzogen wurde, journalistischen Standards nicht stand. Daisy bereut, seinen Monolog dem This American Life-Team angeboten zu haben. Ira Glass leistet Abbitte und berichtet darüber, wie Daisy beim Überprüfen der Fakten gelogen hat, aber wo das TAL-Team eben auch die Alarmglocken hätte läuten hören müssen. Mr. Daisy and the Apple Factory wurde zurückgezogen.

    Meinen Text dazu muss ich glücklicherweise nicht zurückziehen, weil die dort formulierten Überlegungen zu Handarbeit und digitalisierter Produktion – den Bildern von fleißigen Robotern – nicht bei der Empörung ansetzen, die Daisy durch seine Version der Geschichte bei vielen Hörer_innen ausgelöst hat. Puh!

    Und die Moral von der Geschicht’? Die Kritik an kapitalistischen Produktionsverhältnissen muss man gut vermarkten. Grundsätzliche Kapitalismuskritik vermarktet sich nicht gut, aber darum ging es ja auch nicht bei dieser Sendung.

    Befremdliches

    Ich habe heute ein Gespräch von Margarete Mitscherlich und Bettina Röhl gelesen. Das war im Chrismon, diesem evangelischen Magazin, das Tages- und Wochenzeitungen beiliegt. Ich lese schon Tageszeitungen mit dem Gedanken, dass ich mal Input außerhalb meiner üblichen Filter brauche. Warum also nicht mal in den Christmon schauen?

    Das Thema war Mütterlichkeit: schlechte Mütter, kommunistische Mütter, zufriedene Mütter und zu gute Mütter. Interessante Einblicke in zwei Biographien, mit denen ich mich bislang nicht beschäftigt habe. Auf die abschließende Frage “Wie würden Sie Frauen heute Mut machen, Mutter zu werden?” antwortet Röhl:

    Heute ist die Familie als Lebensform in Misskredit ge­kommen. In den Medien spielen Patchwork- und Scheidungsfamilien und homosexuelle Ehen eine wichtigere Rolle als die Familie mit Mann, Frau und Kind, und es gibt tatsächlich sehr viele Scheidungen. Das innere Bild von einer gelingenden Familie ist durch viele ideologische Diskussionen angeknackst. Das verunsichert mehr als die Frage, wie Beruf und Kinder zu vereinbaren sind.

    Das innere Bild. Es zeigt Vater und Mutter, deren “bis dass der Tod uns scheidet” nicht durch ein Abhängigkeitsverhältnisse gesichert werden muss, solange nicht diese fiesen Homoehen und Patchworkfamilien das Bild der gelingenden Familie zerstören. Alles ganz einfach. Oder wie formulierte es Malte Welding heute in der Süddeutschen: “Man muss nur jemanden finden, den man mag und den man scharf findet.”

    Zwei Jahre Missy

    Mensch, zwei Jahre ist es schon her, dass die erste Missy Ausgabe raus kam. Was für ein schönes Ereignis das damals war! Und ich habe den Eindruck, dass die Missy tatsächlich eine integrierende Kraft in der feministischen Szene geworden ist: Als Ort zum Veröffentlichen im Heft oder als Gastbloggerin, mit Veranstaltungen oder wenn die HerausgeberInnen auf Podien auftreten oder Vorträge halten. Das soll nicht heißen, dass die Missy alles richtig macht oder in irgendeiner Form den (sic!) neuen (sic!) Feminismus repräsentiert (sic!). Sie bringt aber eine feministische Perspektive unter die Leute, die an den Kiosken bisher gefehlt hat.

    Ab nächsten Montag ist die neue Ausgabe erhältlich – wie immer in allen Bahnhofskiosken und in gut sortierten Zeitschrifteläden. Ich hab sie als Abonnentin schon bekommen und durchgeblättert. Themen sind unter anderen Christiane Rösinger, das Mensch-Tier-Verhältnis und Upcycling Mode. Auch für die interessierte Nrrrd hat die Missy was zu bieten: Einen Artikel von Svenja Schröder und Jasper Nicolaisen über queere Charaktere in Computerspielen und einen Artikel über die Arbeitsverhältnisse in der Hardware-Produktion, den es auch online gibt. In Berlin (am 20. November 2010 mit Christiane Rösinger) und Hamburg (am 2. Dezember mit Forgotten Birds) gibt es zu dieser Ausgabe auch wieder Release-Partys.

    WM Zombies

    Dawn of the Dorks (BRD 2006, 21 Minuten, PAL, miniDV, Farbe, 4:3) ist ein Film von Eric Esser, an den ich gerade dachte, als ich kurz vor dem ersten Deutschland-WM-Spiel die Reeperbahn entlang ging.

    Nach dem Verzehr von Gammelfleisch mutieren die Besucher einer Semesterabschluss-Grillparty. Ihnen wachsen Fanschals, Fußballnational-trikots, Oberlippenbärte, Bierbäuche und sie grölen unaufhürlich Fußballlieder vor sich hin. Und wer mit ihnen in Kontakt kommt, wird einer von ihnen.
    Eine kleine, durch Zufall zusammengeführte Gruppe, kann sich in ein Sportlerheim retten und sich dort vor der Horde herannahender Fußballfanzombies verschanzen. So unterschiedlich wie ihre Charaktere sind auch ihre Lösungsansätze.

    Ein Zombie-Film mit Nachwirkung.

    Wikileaks: Zurück zur Relevanz

    Wikileaks.org hat gestern ein amerikanisches Militärvideo veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie US Soldaten mehrere zivile, unbewaffnete Iraker töten. collateralmurder.com zeigt heftige Bilder eines asymetrischen Krieges, zu denen hoffentlich viel gesagt und geschrieben wird.

    Die Leute von Wikileaks kümmern sich um eine Infrastruktur, die es ermöglicht, Dokumente auf ihre Authentizität zu prüfen und bei höchstem InformatInnenschutz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dadurch versuchen sie auch, Journalismus zurück zu den relevanten Themen zu bringen. Bisher habe ich jedoch nicht den Eindruck, dass die Veröffentlichung des Videos das ausgelöst hat, was Daniel Schmitt, der zum Kernteam von Wikileaks gehört, in der aktuellen Küchenradio-Folge als Erwartung formuliert hat. Vielleicht wird sich das in Deutschland mit der angekündigen Veröffentlichung von 37 000 internen NDP-Emails ändern? Die amerikanischen Medien habe ich nicht so verfolgt, aber über Twitter laufen seit gestern Abend viele Links zum Thema ein.

    Der Podcast mit dem Wikileaks Update von letzter Woche knüpft an eine zurückliegende Folge von Küchenradio mit Daniel Schmitt an, über die ich auch was geschrieben hatte. Beide eignen sich, um etwas über die Hintergründe des Projekts und die aktuellen Entwicklungen zu erfahren. In der neuen Folge geht es unter anderem auch um die Icelandic Modern Media Initiative. Zum gerade veröffentlichen Video hat das kotzende Einhorn einen Post mit Videos und Links, und bei Spreeblick hat sich Simon Columbus ausführlich mit dem Video und einigen Aspekten des asymetrischen Krieges, die darin deutlich werden, beschäftigt.

    Bewegungsfeminismus heute? Tagung in Marburg

    Nächste Woche findet in Marburg eine Tagung anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des feministischen Archivs statt, bei der ich auch zugegen sein werde.

    aufbrüche - feministische aktionen, 9-10 juli in marburg

    Tagung: “Aufbrüche – feministische Aktion_en”
    9./10. Juli 2009 in Marburg

    das „…erste und einzige feministische Archiv in Marburg“ wird 20 Jahre! Anlass genug zum Feiern, Reflektieren und Diskutieren. Was, wer, wie ist Feminismus heute? Wo positionieren wir uns? Was bedeutet es heute Feministin zu sein? Viele der feministischen Vorkämpfer_innen der 70er und 80er Jahre sprechen der Bewegung heute jeglichen Fortschritt ab. Junge Frauen sehen sich mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht aktiv zu sein und feministische Ideale zu verraten. Auf der anderen Seite präsentieren sich uns in den Medien die „Alpha-Mädchen“ der neue „F-Klasse“ (Thea Dorn), eine kleine weiße Oberschicht erfolgreicher Frauen, die das Wort Feminismus nicht mal mehr in den Mund nehmen wollen.

    Feminismus ist aktueller den je – und damit auch der Streit darüber

    Ziel der Tagung soll sein, aufzuzeigen, wo heute etwas passiert, wo (junge) feministische Frauen* aktiv sind, welche neuen Aktions- und Organisationsformen es gibt und welche Rolle Medien für Organisation und Wahrnehmung einnehmen. Wo und mit welchen Ansprüchen positionieren sich heute Feminist_innen? Welche Formen des Aktionismus gibt es und wollen gelebt werden? Wie gehen wir mit den neuen Ansätzen und Meinungen um? Was stellt Feminismus inhaltlich dar, was ist längst überholt? Wo verlaufen Abgrenzungen und Konfliktlinien innerhalb der Bewegung? Gibt es eine Bewegung? Wie sehr ist Feminismus/die feministische Bewegung noch in der Gesellschaft verankert? Was ist Fortschritt, was Rückschritt?
    Diesen und anderen Fragen wolle wir nachgehen mit einer Tagung des Feministischen Archivs Marburg in Zusammenarbeit mit dem Referat für Geschlechterpolitik des AStA Marburg, gender trouble (feministische frauenlesbenliste (FFLL) und dem Café trauma im g-werk.

    Am 9. / 10. Juli 2009
    im: Café Trauma im G-Werk, Marburg

    Sonja Eismann macht am Donnerstag den 9. Juli den Anfang. Eismann ist Journalistin, Mitherausgeberin des Missy Magazin und schreibt für feministische Medien wie die an.schläge oder nylon. In Marburg referiert sie über „Feministische Medien und Popfeminismus“. Am Freitag den 10. Juli geht es weiter mit Kathrin Ganz und Do Gerbig, die sich mit „Queer-feministischer Ökonomiekritik“ auseinandersetzen. Nach der Theorie kommt die Praxis: Der Workshop „Grrrl Zines und Krachmacher-Kleider. Wenn Texte und Textilien zum Sprachrohr werden“ von Stephanie Müller zeigt am Freitag Mittag ganz konkret wie feministische Aktion heute aussehen kann. Abschließend zeichnet Melanie Groß in ihrem Vortrag „Geschlecht und Widerstand im third wave feminism“ um 17.30 Uhr verschiedene Widerstandsbewegungen und Protestkulturen nach, wobei sie widersprüchliche Positionen als bereichernde Stärke innerhalb der dritten feministischen Welle begreift.
    Der Feminismus ist nicht tot; er muss gefeiert werden! z.B. mit der abschließenden queer-feministischen Party am Freitag, inklusive Konzert von EX BEST FRIEND [GrrrrlPunk, Berlin].

    Mehr Infos zu Programm, Referent_innen und Konzeption gibt’s hier:
    www.feministischeaufbrueche.blogsport.de

    Ich hoffe, die Veranstaltung ist trotz der harten Konkurenz in Berlin gut besucht und freue mich schon auf mein erstes Mal in Marburg.