Ich seufzte “in sachen #netzfeminismus passiert genau das, was ich erwartet habe” und erläuterte auf Nachfrage: “ein label claimen löst abgrenzungsreaktionen aus. und dann geht alles seinen gewohnten gang”
Es ist doch so: Netzfeminimus war bis vor einigen Monaten ein diffus benutzter Begriff, auf den sich im deutsch(sprachig)en Internetdiskurs einige Menschen bezogen, die irgendwas mit Feminismus im Internet zu tun haben. Feministische Blogger_innen und Twitterer_innen. Leute, die sich Netzpolitik aus feministischer Perspektive beschäftigen und/oder die sich gegen Sexismus im Netz einsetzen und/oder die mangelende Repräsentanz von Frauen in Internetdiskursen thematisierten und/oder das Netz als Raum zur Vernetzung ansehen und/oder dort feministische Themen artikulieren, die gar nichts mit dem Internet zu tun haben und vieles mehr.
Keine feste Gruppe, sondern ein heterogenes Feld mit verschiedenen Knotenpunkten (und die mädchenmannschaft ist ein mächtiger Knotenpunkt darin, keine Frage). Kein einheitlicher Feminismus, sondern Feminismen mit Bezug auf das Internet als Raum und Thema (dies auch als Antwort auf die Frage von @tante).
Mit der Gründung von netzfeminismus.org wird der Begriff aufgegriffen und inhaltlich gefüllt. Das passiert ganz von alleine, auch wenn die Initiatorinnen Offenheit und Vorläufigkeit betonen und das Projekt noch nicht so recht aus den Puschen zu kommen scheint. ((Vollstes Verständnis dafür.)) Gleichzeitig wird die Seite netzfeminismus.org auch zu einer Anlaufstelle für Interessierte. Also zu einem weiteren Knotenpunkt, der sich von den anderen eigentlich nur durch eine kleine Sache unterscheidet: Der Name scheint für etwas größeres zu stehen.
Netzfeminismus: Ist das ein pars pro toto oder ein totum pro parte? Bis jetzt wird das Projekt Netzfeminismus.org vor allem mit dem Netzfeministischen Bier und mit der Frage der Besetzung von Podien mit Frauen in Verbindung gebracht. Obwohl das Projekt noch am Anfang ist, Austausch und Vernetzung als Ziele benannt sind und es dazu sicher noch eine Reihe interessanter Ideen gibt, ist die kritische Außenwahrnehmung bereits zu dem Urteil gekommen, dass es Netzfeminismus.org um das Eindringen in den Mainstream/Malestream geht. Ich vermute, dass das gar nicht die Intention von (allen?) Initiatorinnen von netzfeminismus.org ist. So richtig greifbar ist sie aber nicht, gerade in Bezug auf die Namenwahl.
Jetzt grenzen sich die ersten ab, wollen mit diesem Label nie was zu tun gehabt haben und rufen “Nein, das ist nicht der (Netz-)Feminismus!”
Wer ist schuld? Diejenigen, die Netzfeminismus als Begriff besetzt und hoffnungsvoll gedacht haben, damit nichts zu definieren? Oder diejenigen, die dem Projekt nicht die Zeit lassen, sich zu entfalten?
Das ist tatsächlich gar keine Frage, die ich beantworten will. Ich bin nur ein bisschen genervt, weil dieser feministische Dunstkreis im Netz für mich eine Zeit so aussah, als könnten sich aus der Heterogenität heraus temporäre, strategische Bündnisse finden. Neue Formen des politischen Handelns basierend auf weak ties. Aber irgendwie geht jetzt alles seinen üblichen Gang und man sieht schön, wie das Ringen um Hegemonie gar nicht unbedingt etwas von Intentionen angetriebenes sein muss. Das festigt mich zwar in meiner politischen Theorie (\o/), aber langweilt mich auch. Wahrscheinlich wird uns die Frage, ob Netzfeminismus.org jetzt den ganzen Netzfeminismus repräsentiert (“Wollen wir gar nicht!” – “Wollt ihr wohl!”) jetzt erstmal eine weile beschäftigen. Hoffen wir, es wird wenigstens einigermaßen produktiv.
*abwink*
die gleiche Debatte, wie um die Digiges.
Dabei ist bislang nichts passiert, was a) ein Grund zum Aufregen oder b) ein Grund zum Jubeln wäre.
Nur: Abwarten ist nicht das Ding dieser ganzen schnappatmigen Internet-Ranter_innen.
*abwink*
“ist die kritische Außenwahrnehmung bereits zu dem Urteil gekommen, dass”, “Jetzt grenzen sich die ersten ab” usw.
Das liest sich alles etwas vage. Der eine oder andere Link würde vielleicht beim Nachvollziehen und Verständnis helfen ;-)
Danke für deinen Input zum Thema!
Ich sehe das nicht ganz so pessimistisch (oder lese ich den Pessimismus da nur rein?). Rants auf Twitter versuche ich immer nicht überzubewerten (aber vielleicht bin ich da auch zu naiv, weiß nicht). Ich denke: Bündnisse werden m.E. schon möglich, wenn z.B. mal akut an einer bestimmten Problematik gearbeitet wird.
Ich sehe diese zwei gegenseitigen Pole, die du aufmachst, auch nicht ganz so stark (finde das als Aufmacher für eine Debatte zu Netzfeminismus auch zu “x vs. y” gedacht), vielleicht deshalb, weil ich mich keinem dieser Pole eindeutig zuordnen kann.
Zugegeben: Ich brauche dieses Label Netzfeminismus nicht, sehe aber ein, dass das öffentliche Verurteilen niemanden nützt. Netzfeminismus.org wird dann für mich interessant, wenn ich Debatten, Aktionen oder Positionierungen finde, die meiner politischen Ausrichtung entsprechen. Ansonsten spielt es für mich einfach keine große Rolle – kein Beinbruch.
Eine Frage: Du schreibst
“Aber irgendwie geht jetzt alles seinen üblichen Gang und man sieht schön, wie das Ringen um Hegemonie gar nicht unbedingt etwas von Intentionen angetriebenes sein muss.”
Ich verstehe schon die Stoßrichtung, weiß aber nicht 100% was du damit meinst… Hast du da noch ein Beispiel zur Veranschaulichung?
Danke :)
Gruß, Magda
@plomlompom hast recht, das ist schwammig. der auslöser heute war bei einem protected account und vorher hab ich mir keine notizen gemacht, wenn mir das untergekommen ist. aber du verstehst trotzdem, was ich meine, oder?
vielleicht liegt es ja auch am umgang mit kritik auf den blogs, die sich sonst so netzfeministisch nennen, dass andere “euch” vorwerfen eine alleinherrschaft über diesen begriff anzustreben. versteh mich nicht falsch, dass soll kein getrolle werden. trotzdem landen immer wieder kommentare auf hatr.org von menschen, die sich selber auch als feministisch bezeichnen würden. wenn du jetzt als gegenargument sagen würdest “ja, aber das denken die ja nur, aber sie sind es ja nicht”. dann ist das wahrscheinlich genau des pudels kern, wer darüber entscheidet, was feministisch ist und was nicht. und wenn es offen gehalten werden soll (also das netzfeminismus projekt), dann müsste der begriff von “troll” oder “nerv” vielleicht etwas milder gestaltet werden, bzw nochmal darüber nachgedacht werden, ob man das überhaupt will, dass jeder mitmachen kann oder zumindest fast jeder… just my two cents.
Mich würde an dem Ganzen der inhaltliche Konfliktpunkt “Eindringen in den Main/Male-Stream oder nicht” interessieren, weil das ein sehr wichtiges Thema ist, unabhängig davon, ob es darüber schon reale Streitereien gibt oder nicht. Mir ist es nämlich ein sehr großes Anliegen, dass das passiert – dass wir in den Mainstream kommen – natürlich ohne sich dort zu integrieren oder anzupassen. Aber doch mit dem Wunsch, etwas zu verändern. Ich glaube, dass es sehr fruchtbar wäre, die gegenseitigen Kritikpunkte daran, wie das passiert oder nicht, welche Fehler dabei gemacht werden, welche guten Erfahrungen dabei gemacht werden etc. auszutauschen, zu diskutieren, darüber zu streiten und das weiter zu entwickeln. An einer solchen Diskussion würde ich mich gerne beteiligen, auf welcher Plattform auch immer.
was soll denn da heisen “im mainstream ankommen, ohne sich anzupassen”. das ist doch überhaupt nicht möglich. es müsste doch erstmal definiert werden, was unter mainstream überhaupt verstanden wird. logischer wäre es meiner ansicht nach einfach zu formulieren, dass es wünschenswert wäre, als feminist(*in) ernst genommen zu werden und sich ein breites gehör zu verschaffen. allerdings würde ich das lange nicht als “mainstream” bezeichnen. aber das nur am rande.
@antje ich bin ja selbst keine, die eindringen in “mainstream” (was genau das auch immer sein mag) immer ablehnt. aber ich versuche trotzdem mal einen möglichen kritikpunkt aufzuzeigen: feministinnen*/frauen* sind ja unterschiedlich positioniert, haben unterschiedliche erfahrungen, kraftreserven, resourcen, anliegen usw. ich glaube, dass das eindringen in den mainstream, die möglichkeit, an dessen debatten teilzunehmen, die anstrengung, die das kostet usw. dementsprechend auch sehr verschieden sind. zum beispiel habe ich als heterosexuelle cis-frau eher die möglichkeit, einige der anliegen, die mich betreffen, politisch zur sprache zu bringen. man(n) kann da was mit mir anfangen, mit fällt es nicht besonders schwer, in diesem raum zu agieren. aber anderen geht es da anders, für sie ist der “mainstream” raum derzeit vielleicht noch gar nicht aushaltbar, z.b. weil sie von transfeindlichkeit betroffen sind und ihre köprer und existenzweisen in diesem mainstream gar nicht verstanden werden (intelligibel sind). wenn ich mich jetzt hinstelle und sagen “wir feministinnen müssen alle in den mainstream, denn feminismus heißt ja nicht, dass wir männer ablehnen, also raus aus den nieschen, ladies!” kann ich schon verstehen, warum andere mit diesem feminismus nix anfangen können und auch dieses “in den mainstream wollen” grundsätzlich hinterfragen.
@sophalle ich versteh nicht genau, wen du mit “euch” und andere meinst. ich bin ja weder bei netzfeminismus.org noch auf der gegenseite. aber ich kanns an der stelle ja mal sagen, dass ich hatr in dem von dir genannten punkt auch schwierig finde. die kommentarpolitik der blogs ist ja denen überlassen. aber man kann ja auch kommentare löschen/nicht freigeben und sie nicht zu hatr schicken. es fehlt an dem punkt aber eine regel oder einen modus, wie mit der frage umgegangen wird und es wurde nur andiskutiert bisher.
@magda mich beruhigt, dass du das nicht so polarisiert siehst. vielleicht sind meine alarmglocken, was solche antagonismen angeht auch zu sensibel eingestellt und ich habe hier durch meine beschreibung etwas verfestigt, was gar nicht wirklich da war. ganz schön doof :-/
zu der hegemoniesache: damit meinte ich halt den prozess in allem möglichen politischen kontext und gerne eben auch in so subkulturelleren bewegungen, dass es zu spaltungen (volksfront von judäa vs. judäische volksfront) kommt, wo die einen den anderen vorwerfen, sie würden irgendwie die vorherrschaft und definitionshoheit an sich reißen wollen. ich glaube, dass das gar nicht unbedingt immer intendiert bzw. strategisches handeln ist, sondern ein diskursiver prozess, der sich relativ automatisch vollzieht, wenn ich meine position mit meiner super toll durchgedachten analyse der gesamtscheiße und was dagegen zu tun ist in die öffentlichkeit trage. verständlicher war das jetzt aber auch nicht, oder?
@ihdl – Naja, wenn eine sagt “Wir feministinnen müssen alle…” sind dadran ja sowieso schonmal mindestens drei von vier Wörtern falsch :)
@antjeschrupp hehe, genau. wobei ich mir gleich wieder die frage gestelle, wann dieser normative imperativ eigentlich wirklich da ist (ist er ja manchmal bei innerfeministischer kritik) und wann er reingehört wird. naja. :)
Liebe ihdl, liebe Antje,
auch hier noch einmal: kommt doch bitte gerne auf die Mailingliste. Sie ist heute gestartet und dafür bewerben könnt ihr euch im Blog: http://netzfeminismus.org/?page_id=82
ich schrieb es auch gerade schon als Antwort in meinem Blog, kopiere es aber auch noch einmal hier hin, weil hier vor allem die Diskussion zu laufen scheint:
“Ich meine: Vielleicht verläuft das Projekt wieder im Sande. Oder es gibt Konflikte. Oder Differenzen werden ein Problem. Bislang ist das alles noch völlig offen.
Und das ist auch der Grund, warum ich ehrlich gesagt ein bisschen bitter war, als ich all das las: Es ist noch nichts passiert. Es ist noch völlig offen. Dass du das Treffen langweilig fandest – ok. Aber ich habe schon den Eindruck, dass dort Leute andere Leute kennen lernen, die sie vorher nicht kannten und die sie bereichernd für sich und ihre Arbeit finden. Um mehr geht es bei dem Biertrinken ja auch nicht. Da soll keine Revolution geplant werden. Es ist ziemlich offen und frei – ohne Agenda. Analog zum npbx – dem netzpolitischen Bier. Manchmal ist es einfach wichtig, die anderen überhaupt kennen zu lernen, die da auch so feministisch in diesem Netz unterwegs sind. Das ist IMHO der erste Schritt. Sich auch mal im RL zu sehen. Auszutauschen. Denn was du erzählst vom Scheitern und im Sande verlaufen, das kenne ich ja auch! Nur ist meine Erfahrung, dass dies meist davon kommt, dass man nur online kommuniziert und offline kaum einen Bezug zueinander hat.”
Viele Grüße und ich hoffe: wir sehen uns :)
Kadda
Ehrlich gesagt glaube ich auch immer noch, dass dies der Fall ist. Wir sind doch alle nicht aus der Welt und lesen uns doch auch bei Twitter. Ich persönlich kann dem konkreten Ansatz mit Podienquoten und Biertrinken weig abgewinnen, auch hatte ich inhaltlich Streit um Trollkommentare und Alice Schwarzer – aber das heisst doch nicht, dass wir uns in dem grundlegenden Wunsch, dass Frauen gleichwertig leben können sollen wie Männer, niicht einig sind. Und dass da noch viel zu tun ist, da besteht doch auch Konsens.
Das Problem sind eben persönliche Streitigkeiten, aber die lassen sich im Netz ja auch gut ignoren. Jede/r redet eben mit denen, mit denen er/sie sich versteht. Das ist mehr als nichts. Und damit weiterhin eine hoffnungsvolle Vernetzung.
danke für eure ganzen perspektiven. ich merke: vielleicht sollte ich mich der rantsensibelen flauscheria anschließen.