Ich bin hin und her gerissen, was den Flausch angeht. Auf der einen Seite freue ich mich sehr über die Flauschbewegung. Es ist gut, wenn Leute für einander da sind, sich öffnen, wertschätzen und unterstützen. Die Kultur des Flauschens hat sich unter diesem Begriff in einem Teil meiner Twittertimeline verbreitet, in einem anderen Teil wurde sie auch vorher schon gepflegt, wenn auch ohne diesen von Abnutzung bedrohten Begriff.
Es ist der Flausch, der das alltägliche Leiden aus- und besprechbar macht. Er ist Teil eines Diskurses, der um die Frage kreist, wie netzbewegte Menschen miteinander umgehen. ((Beachtenswert fand ich u.a. Eine Kritik des #Flausch von tante, das re:publica Panel The Dark Side of Action, die von Lantzschi aufgeworfene Frage Wie wollen wir im Netz Verantwortung füreinander tragen?, die in Helgas re:publica Workshop gesammelten Ideen zum Caring Space und auch Franzsikas Text zum Schmerzensmann.))
Auf der anderen Seite merke ich aber, dass die Offenheit und die emotionalen Tiefen, die dadurch zum Vorschein kommen, mich belasten. Es überfordert meine Empathie, bei jedem zweiten Blick in die Timeline mit Gesprächen konfrontiert zu sein, die zeigen, dass es Menschen gerade nicht gut geht. Es macht es mir noch schwerer, mich zu konzentrieren. Es zieht mich runter. Es kann auch triggern, aber ich möchte an der Stelle betonen, dass ich das nicht alles unter diesem Begriff subsumieren will.
Ist das in einem scheinbar unbegrenzten, unidirektionalen Kommunikationsraum nur eine Frage der Filterkompetenz? Wohl kaum. Erstens hat das Flauschen weder ein Hashtag noch ist es zeitlich begrenzt. Zweitens geht es nicht um doofe Leute, die mit ihrem Gefühlskack meine Timeline zuspamen, sondern um Leute, die ich mag. Ich möchte Personen, die mir ans Herz gewachsen sind, die ich für das schätze, was sie im Netz vertreten oder mit denen ich schöne Erlebnisse im Meatspace hatte nicht entfolgen, weil es ihnen nicht gut geht, sie einen Konflikt austragen, der ihnen an die Nieren geht und sie Unterstützung brauchen – auch wenn ich nicht immer die sein möchte und kann, die diese Unterstützung zur Verfügung stellt.
Die Filtersouveränität des Mutens und Unfollow basiert auf der Annahme einer nach außen stabilen Identität und Persönlichkeit. Wir bemühen uns oft, ein solches Bild abzugeben. Damit die Leute wissen, was sie kriegen. Aber im Flausch besteht doch gerade die Möglichkeit, davon abzuweichen. Sollte ich diejenigen Leute zum Schweigen bringen, die sich der Aufforderung, ein funktionierendes Selbst zu performen, widersetzen? Ich möchte es nicht, aber merke, das mein Wohlbefinden in Gefahr ist. Und daran sind nicht die Individuen schuld, die sich zu viel Raum nehmen und gegen die guten Sitten der Zurückhaltung verstoßen, sondern die Verhältnisse und Normen, die sowohl das Leid als auch die Möglichkeit, damit umzugehen, auf eine Weise strukturieren, die nicht gut für uns ist. Wir kommen aber nicht darum, dem Problem in gegenseitiger Verantwortung zu begegnen.